Yung Hurn im Interview "Ich ziehe keine 22 Gramm, aber vielleicht zwei"

Yung Hurn aus Wien hat mit seinen druffen Autotune-Hymnen in kürzester Zeit sechsstellige Klickzahlen gesammelt. Kevin Schramm von "Urbane Geräusche" hat ihn anlässlich seines neuen "Krocha-Tapes" zum Interview getroffen. Ein Gespräch übers Rappen, Snappen und Trappen.

Von: Kevin Schramm

Stand: 08.01.2016 | Archiv

Yung Hurn | Bild: Jan Kapitän / Büro Bum Bum

Es gibt noch keinen Namen für das, was junge Rapper wie Yung Hurn da machen. Mit Begriffen wie Cloud Rap, Trap Rap und Swag Rap versuchen Journalisten zur Zeit verzweifelt, den neuen Sound einzukreisen. Klar ist: Ein großer Teil der Einflüsse stammt aus den Südstaaten der USA. Der Trap-Sound von dort dominiert über dem großen Teich momentan sowieso alles im HipHop-Mainstream. Künstler wie A$AP Rocky, Young Thug oder Soulja Boy haben vorgemacht, was Rapper jetzt hier adaptieren. Aber auch der schwedische Jüngling Yung Lean spielt eine große Rolle, wenn man sich dem neuen Sound nähern möchte: Er hat seine trippigen Songs auf Videos mit trauriger Post-Internet-Ästhetik treffen lassen und damit bewiesen, dass man auch als Weißbrot mit Milchschnittengesicht über Trap-Beats rappen darf und damit Erfolg haben kann.

Yung Hurn aus Wien hat mit seinen druffen Autotune-Hymnen ("Nein", "Opernsänger", "Ferrari") innerhalb kürzester Zeit Youtube-Klickzahlen im Hunderttausender-Bereich gesammelt. Auch er greift den Südstaaten-Sound auf, verpasst ihm aber mit Wiener Dialekt, Schmäh und Dada-Lyrik seinen eigenen Dreh. Realkeeper sehen in seinem Sound (mal wieder) den Untergang von HipHop, alle anderen haben Spaß, turnen up und lassen sich von ihm durch sein Leben im 22ten Wiener Bezirk führen.

Kevin Schramm, unser Mann für Beats, Bass und Musik aus der Zukunft, hat ihn anlässlich seines neuen Mixtapes, dem "Krocha-Tape" für seine PULS Show "Urbane Geräusche" zum Interview getroffen. Ein Zwiegespräch übers Rappen, Snappen und Trappen im Jahr 2016.

Kevin Schramm: Du warst gerade hier unten bei uns am Empfang und hast dich da vorgestellt. Wie ist es wenn man so irgendwo hinkommt und sagt: "Ey, ich bin der Yung Hurn"?

Yung Hurn: Der Typ unten hat uns angeschaut und so: "Hey, wer bist du? Yung Hurn, oder?" Und ich dann so: "Jaja". Es ist schon lustig.

Das Geile ist ja bei dir, dass der österreichische Dialekt viele Dinge ein bisschen abdämpft. Wenn du "Junge Hure", also so richtig Hochdeutsch, heißen würdest, dann wäre einfach was anderes, oder?

Auf jeden Fall. Vor allem wird "Hurn" in Wien oder ich glaube auch in allen anderen Orten - auf jeden Fall in Österreich - so verwendet wie: "Hej du, du Dummer…". Wenn du zum Beispiel Fußball spielst und den Ball verschießt, so urweit weg, dann alle so: "Ach, du Hurn!". Das ist eigentlich die netteste Form der Beschimpfung, die man sich unter Freunden geben kann.

Lass uns mal über deinen Sound reden: Wie und wann hast du eigentlich angefangen, überhaupt Musik zu machen?

Das war so vor zwei Jahren. Ich habe davor immer viel gefreestylet mit Freunden. Das Ganze hat angefangen, als ich den Wiener Rapper Rap4Fikk getroffen hab. Wegen ihm hab ich zu rappen angefangen. Von ihm gibt es auch online gar keine Sachen, er ist ziemlich Underground, ist auch so Maler und so. Er rappt mit diesem Halb-Wiener-halb-Türken-Dialekt nur über so Straßen-Scheiße. Das Lustige ist, wie ich ihn kennen gelernt habe, da war ich am Donaukanal in Wien. Und er ist gekommen und hat irgendwas gesprochen, während ich da gerade an einer legalen Fläche gemalt habe. Ich habe an der Stimme erkannt, dass er das ist. Ich so: "Hey, du bist doch Rap4Fikk, oder?". Und er so: "Häh, was?". Das war voll lustig. Später habe ich dann angefangen, viele amerikanische Sachen zu hören. Triple Six Mafia, viel Lil B und so und dann habe ich gemerkt, dass ich auch sowas machen will. Sowas gab es noch nicht in Österreich - oder generell hat es sowas noch nicht wirklich gegeben, dachte ich. Dann habe ich bemerkt: Hanuschplatzflow gibt‘s doch schon, Young Krillin gibt‘s, Lex Lugner und die Ganzen. Lustigerweise sind die meisten nach Wien gezogen und da haben wir auch begonnen, viele Sachen zu machen. Und da haben wir auch gespürt, dass wir ziemlich viel bewegen können im deutschsprachigen Raum, da es sowas in der Art noch nicht gibt.

Also ihr seid auch eng vernetzt quasi so die ganze Hanuschplatz-Clique und du?

Auf jeden Fall. Die sind wie Brüder für mich.

Okay. Aber zu Money Boy gibt es keine Connection und seiner Crew?

Eigentlich überhaupt nicht. Man kennt sich halt entfernt, aber den Sebastian selber nicht wirklich.

Kanntest du den von früher?

Ich habe ihn damals in Wien gesehen, ich war auch oft im 18ten und da gibt es den Türkenschanzpark. Da gibt es so einen Basketballplatz, das ist halt so ein Käfig.

Ist das da, wo er immer die Hood Reports filmt?

Jaja. Und da hat er eben oft gespielt. Wir haben ihn auch mal ein Video drehen sehen und waren immer nur so: "Ah, das ist also dieser eine Money Boy und so…". Aber er macht sein Ding und er macht das auch ganz gut und ich gönne ihm das alles.

Aber das ist jetzt nicht so der Vibe, dass ihr euch connecten wollt…?

Es kam einfach nicht dazu. Ich glaube, das kann man auch trennen. Money Boy macht doch einfach ganz andere Sachen.

Was machst du, wenn du keinen Sound machst?

Ich gehe gerne spazieren im Wiener Wald oder ich gehe gern in Museen, solche Sachen.

Studierst du?

Nein, studieren tu ich nicht. Ich habe auch kein Abitur. Ich schmiede eher geschäftliche Pläne. Ich wollte vor kurzem auch mal an die Börse gehen, mal schauen, ob ich da irgendwie bisschen geschäftlich was machen kann. Ich mach ziemlich viel, was mir gefällt, höre Musik, mache Musik.

Du willst nicht so richtig verraten, womit du deine Brötchen bisher verdienst, oder?

Ja, kann ich auch nicht wirklich. Es wär auch sinnlos.

Okay, ich glaube, langsam verstehe ich: Du gehst gern spazieren…

Ja… in der Trap.

Du hast vorhin gemeint, du hast mit Freestyle-Sachen angefangen und viel von deinem Zeug entsteht im Studio und ist improvisiert. Kommen da immer geile Sachen raus?

Nein, nein. Wenn ich 20 Tracks mache sind davon vielleicht zwei cool. Es kommt aber auch einfach auf die Situation an. Es geht auch echt nur, wenn nur ein paar Leute da sind wenn wir recorden. Beziehungsweise… wir recorden im Zimmer, es ist ja eigentlich kein Studio. Wenn alles gechillt ist, dann kommen um vier Uhr in der Nacht ein paar coole Sachen dabei heraus. Und das Coolste merk ich mir und hör mir es noch einmal an. Dann hören wir uns das öfter an, chillen wieder ein bisschen weiter und dann verwende ich ein paar Sachen. Oft werden daraus Hooks und den Rest vom Text freestyle ich dann.

Deswegen ist viel von dem Zeug wahrscheinlich auch so catchy. Es sind die Sachen, die ja auch bei euch hängen geblieben sind. Wie drauf bist du bei diesen Improvisationssessions?

Meistens ziemlich. Aber es ist auch echt verschieden. Manche Lieder gehen viel besser, wenn ich nüchtern bin und nur im Bus sitze und dann fällt mir was ein. Und manche gehen einfach total gut, wenn ich fast schon im Delirium bin. Dann fällt mir dann halt irgendwas ein, was eigentlich total dumm ist, aber es passt dann einfach. Zum Beispiel "Opernsänger" war, wo ich mir denk, da war ich in einem Zustand, wo ich mich wunder, wie ich da noch den Text in mein Handy schreiben konnte. Ich wunder mich selbst. Der Song hört sich nicht mal so zu an.

Naja… schon so ein bisschen.

Sicher, so ein bisschen. Aber wenn man wirklich auf Drogen ist, dann fällt es einem ja selbst schon schwer, aufs Handy zu schauen.

Das heißt auch, es ist kein Image-Rap, was du machst. Wenn du sagst: "Ich nehme Ketamin!" - dann heißt das auch, dass du Ketamin nimmst?

Das würde ich jetzt nicht so sagen. Vielleicht ab und zu. Image-Rap, das ist halt so eine Sache. Wahrscheinlich  würden viele, die mich nicht wirklich kennen das als Image-Rap bezeichnen, aber wenn du Leute fragst, die mich kennen, dann erscheinen die Texte viel realer. Natürlich nicht, wenn ich sage: "Ich ziehe 22 Gramm!" Dann ziehe ich jetzt nicht 22 Gramm, aber vielleicht zwei.

Wenn man so guckt, wie du dich als Künstler auf den sozialen Netzwerken positionierst, hat man schon fast das Gefühl, du siehst die einzelnen Kanäle auch schon als eine Art Ausdrucksform. Kann das sein? Du klingst jetzt gerade anders als du auf Twitter klingst, beispielsweise.

Ja, auf jeden Fall. Twitter ist für mich so die Social-Media-Plattform, auf der ich mich am meisten auslassen kann. Die Sache ist halt auch: Von meinen Freunden hat fast keiner Twitter. Aber dann fällt mir wieder ein, dass diese ganzen Medien alle Twitter haben. Aber mir ist das dann irgendwie egal. Ich denk mir so, fuck it. Liest du jetzt was vor, oder was?

Ja, ich schau grad.

Oh mein Gott, perfekt.

Zum Beispiel im Dezember: "wie hat diese seundung geheiSSen auf super rtl wo am ende die im toysrus alles einstecken durften auf zeit... beste sendung"

Beste Sendung, wirklich!

Ich kenn die nicht, noch nie gehört.

Nicht? Die war mit so Stäbchen und so, ur die coole Sendung. Und dann am Ende durften sie alle Spielsachen einpacken und wenn sie es auf Zeit geschafft hatten, konnten sie alle behalten.

Oder das, auch im Dezember: "ich lucky luke jeden mf"

Auf jeden Fall. Bäng, bäng, bäng. Es ist halt irgendwie so, dass Twitter ein Psychiater für mich ist. Da kann ich echt posten, was ich will. Aber dann kann’s halt auch sein, dass Leute mich drauf ansprechen wie du zum Beispiel gerade... aber das ist mir auch ziemlich egal.

Ja, anderes Thema. Snapchat!

Yeaaah!

Oida, ich folge dir auf Snapchat!

Nice!

Also, meistens denk ich mir: Naja. Aber manchmal sind da Dinger dabei… Kann ich den Leuten erzählen, was du da postest?

Ja, kommt drauf an… Naa, erzähl!

Neulich hab ich reingeschaut und da lag ein Mädel auf dem Bett und du hattest eine Peitsche in der Hand und hast ihr auf den Arsch gepeitscht.

Ja, auf jeden Fall. Top Snap, oder? Vor allem aber: Das war ja aus purer Liebe.

Im Video zu "Nein" leckst du ja auch Schuhe, zum Beispiel. Oder im Song "Leck die Bitch", sagst du auch was von Fesseln und Schlagen. Warum beschäftigen dich so Sadomaso-Fetisch-Sachen?

Ich find’s einfach cool und ich find auch, jeder sollte seine Sexualität ausleben wie er will. Ich hab auch letztens irgendwas gepostet auf Instagram und irgendjemand schreibt mich an und sagt: "Hey, wie kannst du das posten?" Da wurde halt ein Mädchen gewürgt. Und ich so, ja, wenn das beide Personen wollen, wenn das auf Gegenseitigkeit beruht und das beide Geschlechtspartner antörnt, dann sollte das auch für niemanden ein Problem sein. Wenn es eine Person von den beiden nicht will, distanziere ich mich auf jeden Fall von der Sache. Aber ansonsten soll jeder machen, was er will.

Ja, vor allem wahrscheinlich in einer Zeit, in der schätzungsweise 95 Prozent aller Leute auf Youporn rumhängen.

Jeder!

Eigentlich interessant, dass es dann so selten in den öffentlichen Raum im Netz rüberschwappt…

Ja, eh. Hast vollkommen recht. Ich vermute zu behaupten, dass fast jeder sich Pornos anschaut. Regelmäßig, vielleicht auch nicht so regelmäßig, aber auf jeden Fall des Öfteren. Und jeder, der von sich behauptet, dass er es nicht tut, ist einfach ein Lügner und ein Vollidiot, weil es jeder macht.

Gerade ist ja dein neues Mixtape rausgekommen. Das Krocha Tape. Kannst du noch mal kurz erklären was Krocha sind?

Ja, Krocha war ne Jugendbewegung, die es so von 2007, 2008 bis Anfang 2009 gegeben hat und die es jetzt nicht mehr gibt, nur noch vereinzelt. Auf jeden Fall haben die alle viel Schranz gehört und dazu getanzt, also gekrocht. Ich konnte das auch ein bisschen, kann’s dir dann später mal zeigen, wenn du willst. Es gab auch diese Jumpstyle-Leute. Die hatten einen voll lustigen Kleidungsstil. Gelbe Neonkappen oder Ed-Hardy-Kappen und Ed-Hardy-Shirts mit Palästinensertüchern. Und da gab’s halt echt so nen Mega-Hype in Wien. Vor allem da, wo ich herkomm, im 22. Bezirk, war einfach jeder Krocha. Ich hatte auch selbst eine Ed-Hardy-Kappe. Du konntest gar nicht anders sein. Vor allem war ich doch noch recht jung zu der Zeit, da bist einfach mega manipuliert.

Bam Oida, fix Oida!

Eben, genau, Oida, wirklich! Jeder hat so Krocha-Videos gemacht. Es war eigentlich eine coole Zeit. Schade, dass es das nicht mehr gibt. Ich mein, die Musik war cool, Felix Kröcher und so. Ich würd‘s cool finden, wenn’s ein Revival geben würd.

Und wie hängt das mit den Tracks auf dem Mixtape zusammen?

Überhaupt nicht. Es ist einfach nur eine Hommage. Ich hab das sehr geliebt.

Aber Krocha ist sogar schon bis München geschwappt. Hier wurde es nicht viel gemacht, aber wir haben immer die Youtube-Videos angeschaut.

Ja, das war perfekt zum sich Belustigen, die ganzen Videos.

Kennst du den "Lugner City"-Krocha-Wettbewerb?

Ja, vom Richard Lugner, sicher. Was glaubst du? Jeder kannte das.

Legendär!

Es ist ziemlich suspekt.

Du hast ja auch einen Gastmix mitgebracht. Was erwartet uns da?

Er hat halt alles, was ich momentan ziemlich gern höre. Zum Beispiel was von meinem Homie Wandl von seiner EP, viele Classics dabei aber auch Tame Impala. Er geht viel hin und her.