Tracks der Woche #24/18 Schlachthofbronx feat. Gappy Ranks, Justice, Danger Dan, Otha, Noga Erez
Es weht ein Hauch Revolution durch die Tracks der Woche: Beats aus dem Untergrund, das eigene Werk aktualisiert, gewaltsamer Widerstand, ein frischer Wind aus Norwegen und eine knallharte Kampfansage.
Schlachthofbronx feat. Gappy Ranks - Drive By
Wer bei Schlachthofbronx nach harmlos vor sich hinplätschernden Klängen sucht, wie sie der elektronische Mainstream derzeit zu Hauf zu bieten hat, der kann lange suchen. Die beiden Münchner Produzenten und DJs sind ganz klar Freunde der härteren Gangart: Dreckiger Grime mit typischen Dancehall-Einflüssen und gepflegter Dub sind die prägenden Genres ihres vierten Albums "Haul & Pull Up“. So ein Album alle paar Jahre ist eine solide Bestandsaufnahme, der eigentliche Spaß ist aber gerade in der DJ-Szene auf den EPs zu finden, weil hier oft experimentiert und herumgespielt wird. Und davon haben Schlachthofbronx eine neue am Start: Der Titeltrack "Drive By“ bietet den idealen Untergrundsound für Dancehall-Sänger Gappy Ranks - nicht zu schnell, aber mit Wumms. Schlachthofbronx sind genau wegen Tracks wie diesem seit Jahren auf der ganzen Welt bekannt. Sound nicht nur zum Hören sondern auch zum Spüren. Im Optimalfall, bis die Sicht von der Bass-Vibration verschwimmt.
Justice - Stop
Egal ob Tokyo oder Las Vegas: Nichts sagt so sehr "Hier wird heute nicht mehr gepennt“, wie eine von Neonlichtern durchflutete Stadt. Das französische Duo Justice spielt mit diesem Bild gerne auf der Bühne und in ihren Musikvideos. Aktuelles Beispiel ist die Single "Stop“ mit ihrem nostalgischen Video im Zeichen der bunten Neonröhren. Die Tonspur ist zugegebenermaßen auch schon fast Vintage: Der Track stammt vom Album "Woman“, das Justice 2016 veröffentlicht haben. Macht aber nichts, denn der Song ist dank seiner 70er-Jahre-Vibes zeitlos: Rockballade trifft auf poppigen Elektro, dazu die zuckersüße Stimme von Sänger Johnny Blake und den charakteristischen Chor im Hintergrund. Hinter dem erneuten Release von "Stop“ steckt übrigens ein größeres Vorhaben: Justice planen ein Album, für das sie bereits veröffentlichte Songs überarbeiten, um die Live-Energie ihrer Tracks einzufangen.
Danger Dan - Eine aufs Maul
Danger Dan hat Bock auf Stress und pöbelt in der Kneipe rum, bis die erste Schelle ausgeteilt wird. Wie bitte? Klingt gar nicht nach dem Antilopen-Gang-Mitglied, der sonst doch eher ein Meister der Worte als der Fäuste ist. In seinem aktuellen Track "Eine aufs Maul“ teilt Danger Dan dann in Wahrheit auch nicht gegen andere aus. Wer da eine auf die Fresse kriegt, ist sein eigenes Alter Ego. Diese selbstzerstörerische Stimme im Inneren, die ständig nur saufen will und auch sonst nur Schwachsinn labert. Passend zur Thematik, ist auch der Beat von Gang-Kollege Panik Panzer von Gegensätzen geprägt: schwerfälliger Bass und eine hektische Klaviermelodie. "Eine aufs Maul“ ist der Eröffnungstrack des ersten Solo-Albums von Danger Dan mit dem vielsagenden Namen "Reflexionen aus dem beschönigten Leben“.
Otha - One Of the Girls
Eine junge Frau im bunt karierten Pullover starrt eindringlich vom Cover der Single "One of the Girls“ herunter. Genauso hypnotisch ist auch der Track selbst. Anmutiger Gesang, der ganz behutsam und ohne die sonst üblichen, aufdringlichen Animationsversuche zum Tanzen anregt und irgendwann zu der einschlägigen Erkenntnis kommt: "We don’t have time for boys like these“. Die Textzeilen des Tracks werden zu Mantras, die von der einfühlsamen Stimme durch den geheimnisvoll anmutenden Dance-Pop-Track hinweg wiederholt werden. "One of the Girls“ ist die Debütsingle einer Newcomerin aus Oslo namens Othalie Husøy, die seit kurzem zusammen mit ihrem Produzenten Tyler Johnson unter dem Decknamen Otha unterwegs ist. Ein Talent, das auch die kalifornische Rockband Black Rebel Motorcycle Club bereits für sich entdeckt hat - deshalb ziert der Track von Otha seit kurzem ihre Homepage.
Noga Erez - Bad Habits
Rauchen, Nägel beißen, Notlügen erfinden - schlechte Angewohnheiten hat jeder von uns. Noga Erez behandelt in ihrem neuen Track "Bad Habits“ aber keine kleinen Alltagssünden, sondern rechnet knallhart ab: Mit der rasenden Wut eines unzufriedenen Teenagers rappt sie aus einem fiktiven Brief: "I hope you read it and hit rock bottom. I hope your wife will die out of boredom. I hope your children say you disgust them”. Allerdings geht es der israelischen Sängerin in ihrem Song gar nicht um den Hass auf eine Einzelperson, sondern darum, die immer schlimmer werdende Situation in ihrem Land und der Welt darzustellen. Das Großartige daran ist, dass die 29-Jährige ihre Message in kraftvolle Elektromusik mit deutlichen Hip-Hop-Anleihen verpackt und so rhythmisch stampfend zur Revolution aufruft.
Sendung: Freundeskreis vom 11.06.2018 - ab 10 Uhr