Tracks der Woche #22/18 Chromatics, Alexis Troy & Serious Klein, Swutscher, Caroline Rose, Disclosure feat. Fatoumata Diawara
Bei den Tracks der Woche fliegen die Fetzen: zerstörte Platten, eine explosive Mischung, gepflegte Selbstzerstörung, das zerlegte Patriarchat und ein Beat-Mosaik bestehend aus tausend Bruchstücken.
Chromatics – Black Walls
Chromatics haben ihre Fans 2014 auf eine harte Probe gestellt: Das heiß ersehnte neue Album "Dear Tommy" wurde angekündigt, Songschnipsel veröffentlicht, die Platte war sogar schon fertig gepresst – doch dann hatte Produzent Johnny Jewel eine alles verändernde Nahtoderfahrung und war plötzlich so unzufrieden mit dem Album, dass er jede einzelne Kopie zu Schutt gehauen hat. Da blutet das Fanherz. Jetzt, wo die Wunde gerade so zugeheilt ist, bringen Chromatics ihre neue Single "Black Walls" raus, in dessen Video Sängerin Ruth Radelet in einem mit bunten Discolichtern erleuchteten Raum eine zerbrochene Schallplatte in die Kamera hält. So ein bisschen tut’s noch weh, aber letztlich überwiegt die Freude über die neue Single mit den sich auftürmenden Synthies und dem eisigen Gesang, der "Black Walls" eine gespenstische Atmosphäre verleiht. Und angeblich soll das Album "Dear Tommy" dann diesen Herbst tatsächlich rauskommen.
Alexis Troy & Serious Klein – Game Hunt
Spätestens seit Hip-Hop-Fan Jerome Boateng Jay Z zu seinem Manager gemacht hat, ist klar, dass europäischer Fußball und Rap einige Gemeinsamkeiten haben. Zum Beispiel der Antrieb, es ganz nach oben zu schaffen und sich als unverkennbare Brand zu etablieren. Was das mit der neuen Single von Alexis Troy & Serious Klein zu tun hat? Der Rap-Track "Game Hunt" ist die musikalische Untermalung der Werbekampagne einer Sportmarke mit Manchester United Star Paul Pogba – da schließt sich also der Kreis. Aber "Game Hunt" glänzt erfreulicherweise auch ganz ohne Promo: Rapper Serious Klein aus Bochum klingt definitiv nicht nach Ruhrpott, wenn er akzentfrei anfängt zu spitten. Da kommen einem beim Hören eher amerikanische Kollegen wie Joey Bada$$ in den Kopf. Aber auch der Beat kann so einiges und wurde produziert vom Frankfurter Alexis Troy, der auch bei RINs Album "Eros" am Start war. Zusammen gibt das eine explosive Mischung, die gut anschiebt.
Swutscher – Karussell
Mit eher bescheidener Bildqualität und eigenwilliger Kameraführung dokumentiert die Band Swutscher in ihrem neuen Musikvideo zu "Karussel" wie Sänger Sascha Utech in blühenden Rhododendron beißt und leicht unbeholfen tänzelnd einen Rosenstrauß hält. Es spielen unbeschwerte Gitarren, Orgel und Akkordeon, während der Text sich irgendwo zwischen Zuneigungsbekundung und Wunsch nach Einsamkeit einpendelt. Es wundert nicht, dass Swutscher erst kürzlich die Vorband von Isolation Berlin waren – der Vibe, den die fünf Jungs in ihren Songs erzeugen, ist ein ähnlicher. Bei den Hamburgern kommt aber zur feingeistigen Tristesse noch eine erheiternde Eckkneipenromantik dazu: Direkt zufrieden wirken ihre Texte zwar nicht, aber irgendwie hat man sich halt – spätestens nach dem fünften Bier – damit abgefunden. Und dazu passt auch die Zeile aus dem Refrain von "Karussell": "Mach mit mir, was du willst. Schau gerne zu, doch bitte sei still."
Caroline Rose – Bikini
Auf "Bikini" singt Caroline Rose aus der Sicht eines schmierigen Managers, der seiner Klientin die ganze Welt verspricht. Alles was sie dafür tun muss: sich sexy im Bikini räkeln. Leider gut möglich, dass die Sängerin da aus eigener Erfahrung spricht, schließlich ist es kein Geheimnis, dass auch das Musikbiz noch viel zu tun hat in Sachen Gleichberechtigung. Die Waffe ihrer Wahl: schräger Humor. Das macht "Bikini" trotz ziemlich deprimierender Message doch auch zu einem spaßigen Song. Was mit einem Loveparade-Gedächtnis-Beat beginnt, wird schnell mit flotten Gitarren zur Surf-poppigen Indie-Nummer und hat damit das Potenzial zum nächsten Riot-Girl-Evergreen. Von der Sorte finden sich übrigens noch mehr Titel auf dem Album "Loner", auf dem sich Caroline Rose mit sich selbst und der Gesellschaft auseinandersetzt – womit sie nur knapp am Wahnsinn vorbeischrammt.
Disclosure feat. Fatoumata Diawara – Ulitmatum (Edit)
Wenn Disclosure einen neuen Track raushauen, kann man eigentlich ziemlich sicher davon ausgehen, dass das Ding ein Brett wird. Das britische Brüder-Duo bedient sich seit Jahren bei allen möglichen Genres und schneidert daraus dann extrem erfolgreiche, elektronische Tracks. Für die Vocals holen sich die beiden dazu, wer ihnen gerade besonders taugt – ob noch unbekannter Geheimtipp oder Mainstreamkünstler wie Azealia Banks und Sam Smith. Hauptsache das Ergebnis stimmt. Für "Ultimatum", der erste Track nach der zweijährigen Schaffenspause, haben sich Disclosure die Stimme der malischen Singer-Songwriterin Fatoumata Diawara geholt, die das Soundrepertoire der Briten erneut erweitert. Deep-House meets Westafrika. Der beständig auftauchende Clap-Beat lässt erahnen, wie das Stück im Original klingen könnte, der restliche Musikteppich ist ein typisches Disclosure-Qualitätsprodukt.
Sendung: Freundeskreis, 28.05.2018 - ab 10.00 Uhr