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Tracks der Woche #43/16 Prince Rama, Zeds Dead feat. Rivers Cuomo & Pusha T, Soft Hair, Talisco, Naked Feen

Religionsstunde bei den Tracks der Woche: eine spirituelle Synthie-Sekte, zwei vom Dubstep-Glauben Abgefallene, ein diabolisches Duo, ein Liebesprediger und vier Jünger der alten Schule.

Von: Sophie Kernbichl

Stand: 21.10.2016 | Archiv

Tracks der Woche 43 2016 | Bild: Yann Orhan, Erwan Fichou, Chad Kamenshine, Naked Feen, Shawn LaChapelle

Prince Rama – Bahia

Die Zeitmaschine ist explodiert und heraus treten zwei in Neon-Netz-Gewändern gehüllte Schwestern mit wuscheliger Haarspraymähne und kiloweise Lidschatten im Gesicht. Aber keine Sorge - das Duo namens Prince Rama kommt in Frieden. Mehr noch: Sie bringen psychedelischen Lo-Fi-Pop zum Nächte durchtanzen und sich in den Armen liegen. Seit März ist das neue Album "Xtreme Now" erhältlich, das als fiktiver Soundtrack zu GoPro-Extremsport-Videos gedacht ist. Auf der zugehörigen Single "Bahia" wiederholt eine runtergepitchte Diskostimme im Wechselspiel mit Taraka Larsons schrillem Gesang das Mantra "Bahia" - das Ganze ist mit verschwurbeltem Synthie unterlegt. Wer sich jetzt fragt, was das alles soll, der möge das von Taraka verfasste Manifest "Now Age" lesen, in dem sie die Ästhetik und die metaphysische Philosophie der Band erklärt. Alle anderen können die Freakshow einfach genießen und diese Wahnsinnsband live beim Puls Festival erleben.

Zeds Dead feat. Rivers Cuomo & Pusha T – Too Young

2013 erreichten Zeds Dead mit ihrer knatternden Dubstep-Single "Demons" und dem von Black-Swan-Choreograph Benjamin Millepied produziertem Musikvideo erste internationale Aufmerksamkeit. Seitdem hat sich viel getan bei dem kanadischen Duo: Die beiden DJs machen mittlerweile genreübergreifenden Elektro, im März haben sie ein eigenes Label gegründet und jetzt ihr erstes Album "Northern Lights" mit diversen Features veröffentlicht. Auch die aktuelle Single "Too Young" hat prominenten Beistand: Weezer-Frontmann Rivers Cuomo und Rapper Pusha T geben sich darauf die Ehre. Wie diese wilde Mischung klingt? Erstaunlich harmonisch. Die zurückhaltende Drum Machine verbindet Rap-Part und Indie-Chorus und hüllt beide in eine Feel-Good-Seifenblase. Keine Drops, kein Gewummer, fast schon Pop. Begraben Zeds Dead mit diesem Track endgültig ihre Dubstep-Vergangenheit?

Soft Hair - Lying Has To Stop

Wenn sich zwei gestandene Musiker zu einer Band zusammenschließen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wer wird sich durchsetzen? Im Fall von Soft Hair gibt es darauf keine Antwort, weil die beiden Struwwelpeter eine geradezu symbiotische Beziehung zueinander haben. Da haben wir zum einen Sam Dust, ehemaliges Mitglied der Dance-Punk-Band Late of the Pier, der Solo als LA Priest hyperaktiven Pop macht. Und zum anderen den Neuseeländer Connan Mockasin, der sich dem Psychedelic-Pop verschrieben hat. Wenn diese beiden in Schlaghosen durch das Video zu "Lying Has To Stop" taumeln, wirken sie wie bei der Geburt getrennte Zwillinge. Musikalisch zelebrieren Soft Hair in "Lying Has To Stop" modulierte Gitarren, ihre gegensätzlichen Stimmen und andersartigen Sound. Auf Gelaber stehen sie allerdings gar nicht: "You'll find there's never any time for babes and wine. You lie, you’ll never change and say bye, bye."

Talisco – Stay (Before The Picture Fades)

Mit "Your Wish" gelang dem französischen Musiker Jérôme Amandi unter seinem Künstlernamen Talisco 2014 der große Wurf - nicht zuletzt wegen des großartigen Intros des Songs. Taliscos Sound erinnert an seine Landsleute Woodkid und Phoenix, trägt aber trotzdem Amandis unverwechselbare Handschrift. Das soll auf seinem neuen Album "Capitol Vision", das im Januar 2017 erscheinen wird, sogar noch deutlicher werden: Der Sänger hat angekündigt, dass die Songs darauf zum großen Teil autobiographisch sind. "Stay" ist der zweite Vorgeschmack auf "Capitol Vision" und macht genau da weiter, wo Talisco 2014 aufgehört hat: ein treibender Indie-Beat mit Woohoo-Chor im Hintergrund, eine fröhliche Akustikgitarre und Amandis leicht angeraute Stimme, die zutraulich "I’ll be there for love" singt. Passend zum Bleibenwollen-Thema verabschieden sich im Video Liebespaare solange voneinander, bis einer durchdreht.

Naked Feen – Havana

Fast jedem Jahrzehnt werden in einschlägigen Diskotheken Partys und rauschende Trash-Nächte gewidmet. Aber was ist eigentlich mit den Nuller-Jahren? Deren große Stärke war zweifelsohne geradliniger Alternative-Rock, den man auch heute wieder gut gebrauchen könnte zwischen all den Synthies. Und erfreulicherweise bringen uns Naked Feen genau diesen Sound wieder zurück! 2013 waren die Vier "Münchens Band des Jahres", jetzt erscheint nach zwei vielversprechenden EPs ihr Debütalbum "Heart Already Packed". Auf selbigen ist auch der Song "Havana" zu finden, der ein wenig nach The Strokes zu ihren "Is This It"-Zeiten klingt. Während andere Künstler auf Biegen und Brechen versuchen, die Musik neu zu erfinden, machen Naked Feen einfach guten, alten Rock - so nackig wie der Bandname es vermuten lässt.


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