Ruhmeshalle Madonna – Like A Prayer
Like A Prayer ist Madonnas Meisterwerk. Denn 1989 gelingt ihr, wofür Lady Gaga zwanzig Jahre später morden würde: Die perfekte Kombination von Kunst und Pop.
1989 ist Madonna 30 und der größte weibliche Popstar der Welt. Abermillionen verkaufte Alben, ebensoviele Kruzifix-behangene Lookalikes von New York bis Delmenhorst, Mega-Werbedeal mit Pepsi. Sie ist das perfekte Pop-Produkt der konsumgeilen 80iger: das Material Girl. Doch dann passiert, was später Klischee werden wird: Madonna erfindet sich neu. Und zwar als ernstzunehmende Künstlerin.
Madonna arbeitet mit demselben Produktionsteam des Vorgängeralbums True Blue. Und das so perfekt, dass die Mithilfe von Prince, einem der größten Popstars überhaupt, völlig verpufft. Das Duett Love Song ist der schwächste Song des Albums. Und dass es Prince' verzerrte Gitarre ist, die die Platte eröffnet - wen kratzt das, wenn der Refrain von "Like a Prayer" einsetzt.
Religiöse Ekstase und popfeministische Appelle
Wie der Song und sein Video wohl wirken, wenn man nicht wie ich streng katholisch erzogen wurde? Ich jedenfalls betrete bis heute keine Kirche, ohne damit zu rechnen, dass Madonna hereinstürmt und es mit einer der Heiligenstatuen treibt. Der Vatikan und Pepsi toben über Madonnas angebliche Blasphemie - und bescheren ihr damit einen der effektivsten Marketing-Coups aller Zeiten.
Auf der MP3-Version der Platte verpasst man heute, dass das Originalalbum mit Patchouli einparfümiert war. Halb so wild, solange man nicht auf Shuffle drückt. Dann würde einem nämlich entgehen, wie sich Madonna nach der religiösen Ekstase des Openers aufrappelt zum popfeministischen Appell.
Es wäre leicht, Madonnas Parolen als die üblichen Girl Power Worthülsen abzutun, würde sie auf dem selben Album nicht das wagen, was dem Pop so oft das Genick bricht: Authentizität. Sie klingt so verletzlich, wie sie nur noch ein Mal in ihrer Karriere klingen wird: auf Ray of Light, fast ein Jahrzehnt später. Da wird Madonna im Lotussitz über ihre Mutterschaft singen. Aber jetzt ist erstmal die eigene Kindheit dran.
Die 80er gehören nicht Michael Jackson, sondern Madonna
Es ist verrückt: Wenn Madonna, eine der größten Kunstfiguren des Pop, vom Liebesentzug durch den Vater singt, berührt es. Aber für jeden Song, der Kindheitstrauma oder Ehekrisen verarbeitet, platziert Popsau Madonna einen klebrig-süßen Hit.
Man muss sich das schon noch mal vor Augen führen: Angefangen hat Madonna so relevant wie Paula Abdul, als okaye Tänzerin, die nicht wirklich singen kann. Mit "Like A Prayer" beweist sie, dass sie keinen Prince braucht. Und bei den MTV Awards im selben Jahr stürzt der König: Denn den wichtigsten Preis kriegt nicht der tödlich beleidigte Michael Jackson. Artist of the decade, das ist Madonna.