Ruhmeshalle Pet Shop Boys - Actually
1987: Zwischen grassierendem Housefieber und dem kommerziellen Siegeszug des tanzbareren Elektro-Pop veröffentlichen die Pet Shop Boys ihr zweites Album "Actually" - der Sound des schwulen Underground landet in den Charts.
In den Schwulenbars und Undergroundclubs von London, Chicago und New York regiert Ende der 80er ein neuer Sound: House und Acid machen die Nacht zum Tag, exzessives Tanzen zu einem einzigen, nie enden wollenden Track. Inmitten dieser anschwellenden, zweiten Revolution elektronischer Musik, nach 70er Jahre Disco, Kraftwerk und New Wave Synthie Pop (OMD und Soft Cell), veröffentlicht das britische Duo Pet Shop Boys ihr zweites Album "Actually". Der Housesound des schwulen Undergrounds bahnt sich damit endgültig den Weg in die Charts.
"Actually": Ein Mammutprojekt, actually.
Was auf "Actually" so leichtfüßig, locker und homogen klingt, ist in Wirklichkeit ein Mammutprojekt. Chris Lowe und Neil Tennant arbeiten mit vier Produzenten, manche Tracks werden mehrfach umgeschrieben, wie das Duett mit Dusty Springfield „What Have I Done To Deserve This?“ Das Erfolgsrezept der Pet Shop Boys liegt aber eben nicht nur in der peniblen Genauigkeit. Sie geben ihren Fans den körperbetonten Discosound.
Pet Shop Boys - Actually (Cover)
"Actually" ist von einem roten Faden durchzogen. Lediglich der Überhit auf der Platte, "It's a sin" fällt aus der Reihe. Dort geht es um die Themen Coming Out, Vater-Sohn-Beziehung und gesellschaftliche Ächtung in knackigen drei Minuten. Ansonsten regieren die Themen Geld und Liebe. Dabei beobachtet Songschreiber Neil Tennant seine Umwelt durch die schwule Brille. In seinen Texten kommt er aber auch immer auf Dinge, die jeder kennt: Liebe in Abhängigkeit von Status und Besitz oder die Angst vor Zurückweisung. Oder auch die Verzweiflung darüber, nicht etwa als Mensch geliebt zu werden, sondern als Objekt – so wie im Song "Rent".
Im Zweifel lieber das Liebeslied
Neil Tennant und Chris Lowe transportieren ihre politische Aussage nicht nur im tanzbaren Pop, sondern auch im Liebeslied und der Ballade. Eigentlich ist jeder Song auf "Actually" - und sei er noch so kritisch oder verzweifelt - eine Hommage an die Liebe.
Die großen Themen Liebe, Geld und Politik, aber auch die damals neue House-Musik ziehen mit dieser Platte endgültig in die Charts ein. Damit verändern die Pet Shop Boys nicht nur den Mainstream. Ihre Songs werden auch von Indiebands gecovert. So der Song "Rent" vom britischen IndieDance Duo "Carter The Unstoppable Sexmaschine". Und selbst die Brücke zur experimentellen Kunst haben die Pet Shop Boys geschlagen: Die Regie für das Video zu "It's a sin" drehte Derek Jarman, der seinem cineastischen Schaffen einen Hauch von Avantgarde verpasste. "Actually" hat, auf einen Satz reduziert, den gesamten Kosmos der späten 80er eingefangen, hat Körper und Geist verheiratet. Die Pet Shop Boys haben das zusammen gebracht, was zusammen gehört.