Ruhmeshalle Blondie - Parallel Lines
Debbie Harry ist die Urmutter des Glam und des Cool. Einen Tusch für das Blondie-Durchbruchsalbum von 1978: "Parallel Lines".
Zu dumm, dass man als Künstler Fans braucht. Denn eigentlich sind Fans das Schlimmste, was einem passieren kann. Sie reisen dir hinterher und kreischen dir aus der ersten Reihe entgegen, wie sehr sie dich doch lieben. Und lügen dir dabei dreist ins Gesicht. Denn wenn man jemanden liebt, dann wünscht man ihm doch alles Gute: Sicherheit, Anerkennung... und Erfolg. Fans gönnen dir das alles nicht. Wahrscheinlich, weil sie dich eben nicht lieben. Weil sie dich stattdessen einfach nur als Identifikationsfläche missbrauchen. Blondie können ein Lied davon singen. Das Lied stammt von 1978 und heißt "Heart Of Glass".
Große Empörung: Wie konnten ausgerechnet die Vorreiter der New Yorker Art-Punk-Bewegung auf einmal Disco-Sound machen? Verrat!
Blondie - Parallel Lines (Cover)
Und wieso ist meine Lieblingsband plötzlich weltweit Nummer 1? Nun ja, vielleicht weil sie es verdient haben? Weil sie vielleicht eine der Grundregeln des Punks beherzigten und genau das machten, worauf sie Lust hatten? Weil sie der bornierten Kunststudentenszene zeigten, dass Disco eben nicht der Feind ist? Weil die Tanzversion des Songs einfach um Welten besser ist als sein zäher Reggae-Ursprung?
Und überhaupt: Wäre es Blondie einzig und allein um oberste Chartsplätze gegangen, hätten sie doch damals gleich ein komplettes Disco-Album aufgenommen. Und nicht "Parallel Lines", das die ganze Bandbreite dieser Band präsentierte. Mit dem düsteren "Fade Away And Radiate", dem geradeaus rockenden "Hanging On The Telephone" und dem Sonnenscheinpop von "Sunday Girl".
Ohne Debbie Harry keine Madonna
"Parallel Lines" zeigt, worum es dieser Band ging. Es ging ihr: um Alles. Darum, in jedem Stil zu überzeugen und dabei die Genregrenzen einzureißen. Und es gelingt: "Parallel Lines" macht Blondie weltberühmt und gilt heute als eines der einflussreichsten Alben der 70er Jahre. Ohne "Heart Of Glass" keine Franz Ferdinand, keine Pulp, keine Blur. Ohne das Starke-Mädchen-Image von Frontfrau Debbie Harry wohl keine Madonna, keine Uffie, keine Lady GaGa.
Dabei war "Parallel Lines" gar nicht mal das alles überragende Meisterwerk dieser Band. Freilich mag es das beste Album ihrer Karriere sein, aber das nur mit hauchdünnem Vorsprung. Schließlich haben Blondie damals ja noch nicht alle Disziplinen ausgespielt. Zwei Jahre später erobern sie mit dem Reggaestück "The Tide Is High" die Charts, mit "Rapture" geben sie den USA ihren ersten Nummer-Eins-Hit mit Rap. Aber ohne den durchschlagenden Erfolg von "Parallel Lines" und ohne die popkulturelle Lektion von "Heart Of Glass" wäre es womöglich nie so weit gekommen. "Parallel Lines" musste der Welt erst mal die Augen öffnen. Und die waren dann weit offen.