Ruhmeshalle PJ Harvey – Is This Desire?
PJ Harvey hatte wohl keine gute Zeit hinter sich, als sie 1998 "Is This Desire?" herausbrachte. Das Album ist eine große, dunkle Wolke. Unserem Autoren Matthias Leitner hat sie aber einen magischen Sonnenaufgang beschert.
Eine Landparty, ein Bauernhof, ein grünes Feld: der nächste Morgen. Vor mir stöhnt ein Typ im eigenen Erbrochenen. Ich sitze im morgenfeuchten Gras, warte bis der Tag kommt und höre auf das Rauschen in meinem Kopf. Der Typ wacht auf, streckt sich, wischt sich sein Abendessen aus dem Gesicht, torkelt schlaftrunken zur Stereoanlage im Hof. Endlich angekommen, zieht er eine CD aus seiner Hosentasche und legt sie ein. Schon beim ersten Ton der Musik fängt die Welt an zu leuchten. PJ Harveys Stimme begleitet den Sonnenaufgang.
Neben mir schläft ein Mädchen im Gras, sie bekommt von alledem nichts mit. Sie hört nicht, wie PJ Harvey über Albumlänge fragt: "Is this desire?" Wie sie Schmerz, Zweifel und Liebe wehklagend, manchmal unheimlich besingt. Wie uns Musik und Sonne langsam schmelzen. Kann nicht jeder Tag so anfangen? Is this desire?
Melancholisch, unheilvoll, hilflos
PJ Harvey – Is This Desire? (Cover)
PJ Harvey, die neben ihrer Musikkarriere auch als Malerin und Bildhauerin arbeitet, hält "Is This Desire?" für ihr schönstes Album. Die Kritik war beim Release 1998 anderer Meinung, doch Harvey hat recht. Unheilvolle Melancholie und Zweifel sprechen aus allen Songs, die einen sehr traurig und hilflos zurücklassen. Nicht zuletzt wegen Liedern wie "Catherine" oder "The Garden" steht PJ Harvey im Ruf, ein unglücklicher, eigenbrötlerischer Freak zu sein.
"Is This Desire?" ist eines der großen dunklen Alben der Musikgeschichte. Musik, die man in ganz finsteren Stunden auflegt. Doch PJ Harvey hat ein Talent, das außer ihr nur Künstler wie Leonard Cohen, Tom Waits oder Harveys Ex-Geliebter Nick Cave besitzen: Sie singt vom Leiden, atmet mit jedem Ton Schmerz und schenkt dabei doch immer Licht. Sie ist ein Paradoxon: Trauer, die Freude schafft.