Ruhmeshalle Sonic Youth - Goo
Von vielen Sonic Youth-Fans gegenüber dem Vorgängeralbum "Daydream Nation" vollkommen zu Unrecht als eher blass abgetan, steht "Goo" für den gelungenen Spagat zwischen Pop, Lärm und Trash-Rock.
O Gott, Sonic Youth machen auf Trash-Pop. Das Cover zeigt ein gezeichnetes Sixties-Pärchen mit Sonnenbrillen. Daneben in zwei Sätzen die Handlung eines Teenage-Roadmovies: "I stole my sister's boyfriend. It was all whirlwind, heat, and flash. Within a week we killed my parents and hit the road." Dazu Harmonien, die einschmeichelnd und verstörend zugleich wirken. Und Thurston Moore singt von schmutzigen Stiefeln.
Nach zehn Jahren und sieben Alben ist Sonic Youth eines der erfolgreichsten Flaggschiffe der amerikanischen Indie-Szene. Doch "Goo" markiert 1990 einen entscheidenden Einschnitt im Universum der Band: Ihre typischen Gitarren-Lärmwände verschmelzen zunehmend mit Elementen des verachteten Mainstream-Pop. Dann der umstrittene Wechsel zur Majorfirma Geffen. Buhrufe in der orthodoxen Indie-Gemeinde. Aber Sonic Youth sichern sich mit einem geschickten Deal alle künstlerischen Freiheiten. Auf "Goo" entstehen mit dieser Taktik und einer fetten Industrieproduktion im Rücken Noisepophymnen, die auch heute immer noch Nackenschauer hervorrufen. Auch oder gerade weil kontroverse Themen verhandelt werden, wie die Magersucht der legendären Sängerin und Schlagzeugerin Karen Carpenter im Stück "Tunic".
Sonic Youth - Goo (Cover)
"Tunic" lebt wie viele andere Stücke der Platte vom unnachahmlichen Sprechgesang der Bassistin Kim Gordon. Ihre Geschichten erzählt sie manchmal entrückt, manchmal nölig, auf jeden Fall aber immer: lässig. Spätestens mit "Goo" wird Gordon durch ihre selbstbewusste Attitüde zum Role-Model für die spätere Rrriot Girl-Bewegung um Bands wie Bikini Kill oder Team Dresch. Der Ausdruck "Vagina-Rock" macht die Runde. Genialität, Krach und Kunst: Es ist diese Mischung, die "Goo" in unsere Ruhmeshalle einziehen lässt. Zwischen lupenreine Popsongs wie "Disappear" oder "My Friend Goo" mischen sich immer wieder trojanische Lärmpferde. Eben noch von eingängigen Melodien sanft umwoben, bekommt man im nächsten Moment den Noisewolf um die Ohren gehauen.
Am Ende wird klar: Diese Platte ist Beweis dafür, dass sich gefälliger Pop-Appeal, musikalisches Experiment und Garagenrock-Attitüde sehr wohl miteinander verbinden lassen. Und wie sagte Kurt Cobain über seine Entdecker so schön: Sonic Youth sind die Halbgötter des Lärm. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.