Ruhmeshalle Shangri-Las - Leader Of The Pack
In der Prä-Rock-Ära hatten singende Mädchen in einer Band ausgedient. Die neue Riege orientierte sich an der Zukunft: In Lederhosen und Go-Go-Stiefel avancierten die Shangri-Las schnell zu den Bad Girls der "Class of 64".
Das Erwachsenwerden fällt keinem leicht. Je näher man der angeblich alles entscheidenden Altersmarke kommt, desto öfter schießt einem der Begriff "Peter-Pan-Syndrom" in den Kopf. Die Shangri-Las sind der beste musikalische Begleiter. Ihre Songs sind so herrlich ungefiltert emotional, wie es eben auch nur Teenagern erlaubt ist. Vor allem im Kontrast zur Gegenwart, in der Liebesbeweise gerne von Ironie ummantelt präsentiert werden – oder von Kai Pflaume.
In den 60ern waren die Shangri-Las eine Blaupause von dem, was Eltern ganz sicher nicht aus den Zimmern ihrer Kinder hören wollten. Dabei waren die Mitglieder des Quartetts zu Beginn ihrer Popkarriere selbst noch minderjährig. Den Plattenvertrag bei Red Bird Records mussten die Schwestern Mary und Betty Weiss und das Zwillingspaar Marge und Mary Ann Ganser von ihren Eltern unterzeichnen lassen.
Frühe Bürde der Girl Groups
Die Shangri-Las galten als Bad Girls. Es rankten sich verschiedenste Gerüchte um die Mädchen in engen Hosen und hohen Stiefeln aus Queens, New York. Songs über ihre Affinität zu Halbstarken mit schmutzigen Fingernägeln taten ihr Übriges. So tough das klingt, so altbacken ist man dann doch altgedienten Mustern gefolgt. Obwohl das Quartett an Instrumenten ausgebildet war, haben sie nie auf der Bühne gespielt. Dafür gab es unstete männliche Begleitbands – oder das Tonband. Und im Falle der Studioaufnahmen des Debüts den noch unbekannten Billy Joel.
Die in den Songs der Girl Groups dargestellten Rollenbilder sind ausgesprochen wankelmütig. Von "sei stark" bis hin zu "was soll mein Leben ohne dich" ist alles dabei. Ebenso wie die Musik stammen auch die Texte selten von den Bandmitgliedern. selbst. Ironie der Geschichte - trotzdem spiegeln die Songtexte geradezu prototypisch die Unsicherheit wieder, wie eine junge Frau ihren Platz in der Gesellschaft findet.
Einmal Jugendforschung bitte
Die Shangri-Las gehören selbst zur frisch erschlossenen Zielgruppe "Teenager" und sind somit beinahe unfreiwillig authentisch. Der Faktor der Gruppenzugehörigkeit ist, vor allem durch das Alter der Fans, so wichtig, dass die Mitglieder einer Girlgroup fast identisch ausehen – und so eine eigene Marke sind. Auch die Fans können sich wiederum vor allem mit Mode ihre Zugehörigkeit zeigen. Wie der männliche Stereotyp aussieht, erfährt man hier aus erster Hand: "He's good bad, but he's not evil/ Tight tapered pants, high button shoes/ He`s always looking like he's got the blues" ("Give Him A Great Big Kiss").
Das Debütalbum der Shangri-Las, "Leader of the Pack" ist eine akribische Sozialstudie der damaligen Jugend, und der Titelsong das beste Beispiel dafür. In Shangri-Las typischer Manier wird in Dialogen und mit Soundeffekten eine kleine Seifenoper erzählt: Der Vater der Protagonistin untersagt ihr die Beziehung, ihr Freund verunglückt daraufhin tödlich bei einem Motorradunfall.
Wenn man sich in die 60er Jahre zurück träumt, zu dem Drama und Herzschmerz der Shangri-Las, dann wird einem gleich ein unreflektierter Hang zur Nostalgie unterstellt. Wenn man aber ganz ehrlich ist, dann will man gar nicht bloß zurück. Sondern vor allem raus aus der Gegenwart und möglichst weit weg von der ersten Steuererklärung.