Ruhmeshalle Slum Village – Fantastic Volume II
"A Tribe Called Quest on Steroids" - so bezeichnet Questlove von The Roots die Crew Slum Village um Ausnahmeproduzent J Dilla. Aber das Debüt der Detroiter ist noch viel mehr: Nämlich eine Revolution im Produzieren von Beats.
Was für ein Rückschlag für HipHop: 1998 lösen sich A Tribe Called Quest auf und hinterlassen eine riesige Lücke. Die schmerzt allerdings nur kurz. Schwuppdiwupp kommt eine Nachfolger-Crew daher: Slum Village. Und der Vergleich hinkt erst einmal nicht. SV-Produzent J Dilla hatte sogar schon an den letzten beiden Tribe-Platten mitgearbeitet. Was er aber auf dem Slum Village-Debüt "Fantastic Volume II" abzieht, übersteigt die kühnsten Erwartungen der HipHop-Fans.
"It's Fantastic"
Questlove, Drummer von The Roots und ein guter Freund von J Dilla, erinnert sich folgendermaßen an den Moment, als er vor einem Konzert in München das erste Mal einen Slum Village-Beat gehört hat:
"Der Club-Besitzer hat mich sein Telefon benutzen lassen, um meinen Anrufbeantworter abzuhören. Q-Tip hat mir eine Nachricht hinterlassen: Check den mal. Das war der Beat Fantastic 3. Und ich schwöre dir, ich hab die Nachricht so oft angehört, dass ich dem Club-Besitzer nachher mehr als 500 Scheine zahlten musste."
Questlove (The Roots)
So begeistert wie Questlove und Q-Tip waren viele andere auch. Die dazugehörige Scheibe "Fan-tas-tic" wurde schon vor Release so oft kopiert, überspielt und gebootlegt, dass sie offiziell erst einmal gar nicht erschienen ist. Es hatte sie ja eh schon jeder. Erst später gab es einen Re-Release, daher auch der Zusatz im Titel des ersten offiziellen Slum Village-Albums: "Fantastic Volume II".
Sampling in Perfektion
Slum Village – Fantastic Volume II (Cover)
Die Slum Village-Rapper T3 und Baatin kommen auf "Fantastic Volume II" durchaus explizit daher, nie aber protzig. Songs über Players, Hustlers und Hoes werden dermaßen leger, ja fast im Plauderton präsentiert, dass auch schlüpfrige Passagen angenehm ins Ohr gehen. Was die Platte aber so besonders macht, sind die Beats von J Dilla. Aus kleinsten Teilen einer fremden Platte macht er einen komplett neuen Song. Akkorde werden umgestellt, gepitcht, verdreht. Gesampelte Vocals sagen im Dilla-Beat plötzlich etwas ganz anderes.
Lass die Drums hängen
Das ist zwar Perfektion, aber noch keine Revolution. Die steckt in den Drums, die immer ein wenig hinterher hinken. Sofort hat man dieses Gefühl: Mitwippen, mitwippen, mitwippen. Für Questlove aber ist das mehr als nur eine Revolution:
"Ich hab Dilla mal gefragt: Ist das richtig so? Und er meinte nur: Ja, klingt funky. Ich reiß mir am Schlagzeug den Arsch auf, um tight zu klingen und er reißt sich den Arsch auf, um wie ein betrunkener 14-Jähriger an einem Schlagzeug zu klingen. Da hab ich gewusst: Dieser Mann predigt eine neue Religion."
Questlove (The Roots)
Und wie recht er damit hat. Seit seinem Tod im Jahr 2006 wird J Dilla von bestimmten Kreisen fast gottgleich verehrt. Aber auch wenn man die Kirche im Dorf lässt: Die komplette Szene um Hudson Mohawke und Flying Lotus, neuerdings Glitch-Hop genannt, speist sich aus der simplen wie genialen Idee von J Dilla: Lass die Drums hängen. So wird "Fantastic Volume II" zur Blaupause für eine ganze Generation von HipHop-Produzenten.