Ruhmeshalle The Beatles - Revolver
Jetzt aber Achtung: Nicht wenigen gilt "Revolver" aus dem Jahr 1966 als bestes Album aller Zeiten. Die Beatles in Hochform, ein Meilenstein der modernen Popmusik.
Nicht die Pistole ist gemeint, "Revolver" bezieht sich auf die Drehung des Plattentellers. Und zum Auftakt von "Revolver" dreht sich da gleich mal ein dreckiges Gitarrenriff zur Stimme von George Harrison. "Taxman", der Popdiss auf zwei britische Politiker ist ein Bandnovum. "Taxman" ist der erste Beatles-Opener, der nicht von Lennon und McCartney, sondern von Harrison geschrieben worden ist. Die Fab Four setzen damit nach dem allseits beliebten, kommerziell erfolgreichen Album "Rubber Soul" klare Zeichen und beschreiten endgültig neue Wege. "Revolver" wird der in Schellack geriffelte Wendepunkt ihres Schaffens.
Die Zeichensetzung der Beatles-Metamorphose ist aber nicht immer rein musikalischer Natur. Und nicht immer bewusst künstlerisch. An "Eleanor Rigby" zum Beispiel entbrennt zwischen McCartney und Lennon ein kindischer Streit um die kreativen Anteile am Song. Doch ungeachtet der zunehmenden Animositäten innerhalb der Band ist "Eleanor Rigby" vor allem ein perfekter, kristalliner Popsong. Ebenso perfekt wie "Here, There and Everywhere", "She Said She Said" und "I'm Only Sleeping".
Konsequenter Abschied von der Livebühne
Der literarische Tiefgang der Texte und die Komplexität der Arrangements nehmen auf "Revolver" im Gegensatz zur Beatlemania-Pilzkopfphase deutlich zu. Die Band experimentiert mit Rückkopplungen, rückwärtsgespielten Tonbändern und Stimmeffekten. Da ist es auch rein äußerlich nur konsequent, wenn die Pilzköpfe einem befreiteren Haarwildwuchs weichen - und die Beatles aufhören, als Live-Band zu existieren. Ebenso konsequent ist, dass George Harrison endlich sein psychedelic-geschwängertes Faible für Sitars ausleben darf. In "Love You To" wird die indische Laute erstmals zum Leadinstrument.
Bei den Aufnahmen von "Revolver" sind die Beatles noch einen Zeitzacken von spirituellen Indienbesuchen und Yogi-Seligkeit entfernt. Doch mit psychotropen Substanzen experimentieren sie schon fleißig, was Paul McCartney auch in einem Interview freimütig zugibt. Das Meisterwerk des Albums, der letzte Track "Tomorrow Never Knows", beruft sich dann auch ganz deutlich auf den Drogenguru Timothy Leary und dessen Buch "Psychedelische Erfahrungen". "Turn off your mind, relax and float down-stream", singt John Lennon und mancher Beatles-Exeget liest in dem Song die Anleitung zum perfekten Drogenrausch.
Mit "Revolver" ist der Weg der Beatles vorgezeichnet: Endstation Unsterblichkeit. Wer weiß? Ohne "Revolver" wären sie vielleicht lediglich vier Anzug-Bubis mit feschen Frisuren, ein paar dollen Ohrwürmern und einer Horde kreischender Mädels im Nacken geblieben. Doch mit "Revolver" ist ihr nächstes Meisterwerk "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" schon weit mehr als ein feuchter Poptraum. Und der Musikolymp ist bei schönstem Zwitscherwetter erklommen.