Ruhmeshalle The Cure - Disintegration
"Disintegration" kam genau zur richtigen Zeit. "Boys Don't Cry" war noch 70er und "Friday I'm In Love" schon 90er Jahre - was war noch mal das beste Album von The Cure? Na, dann muss sie wohl aus den 80ern sein...
Das Jahrzehnt der großen Stilverbrechen geht seinem Ende entgegen, da bricht plötzlich die große Weltpolitik in die Heile-Welt der 80er-Jahre-Popmusik ein: 1989 fällt die Mauer. Der Westen empfängt die lieben ausgehungerten Ossis gleich stilecht mit einem dekadenten Schmuddel-Tanz, mit dem damaligen Nummer-Eins-Hit "Lambada". Und wenn man vom Mauerfall auf der Mattscheibe weiterzappt, dann sieht man in der damals noch laufenden Sendung "Formel 1" oder im noch funktionierenden Musikfernsehen immer wieder den gruseligen Clip, den Überraschungshit einer altbekannten englischen Schmink-Band.
Der Durchbruch mit "Lullaby"
Während sich die DDR-Bürger von ihrem staubigen Stasi-Staat selbst befreien, lässt sich ein typisch fahler Robert Smith im Video zu "Lullaby" in einem staubigen Schlafzimmer von Spinnweben fesseln, um am Ende des Clips von einem schwarz-pelzigen Etwas, seiner Haarmähne gar nicht unähnlich, verschlungen zu werden. Das Lied mit dem "Spiderman Is Coming"-Refrain sollte im zwölften Bandjahr den weltweiten Durchbruch für The Cure bringen. Und das zugehörige Album "Disintegration" wird ihr erfolgreichstes in Deutschland – sie steigen damit bis auf Platz zwei. Und seitdem sind sie in unseren Album-Charts immer höher platziert als zuhause in England.
Vier Hitsingles koppelt die Band bis 1990 aus – "Pictures Of You" erschließt der Dark Wave-Band neue Fans. Im Refrain von "Fascination Street" hört man den egomanischen Bandchef wieder mit der gepresst-gequälten, mit der typisch leidenden und schneidenden Stimme.
Mit dem Erfolg kommt die Krise
Der Erfolg der Platte verärgert viele eingefleischte Fans aber. Und auch intern kriselt es. Nach der Disintegration-Tour verkündet Robert Smith das Ende – er will nicht mehr touren und löst die Band vorübergehend auf. Gründungsmitglied Lol Tolhurst klagt gegen den Rauswurf und durch den eineinhalb Jahre dauernden Gerichsstreit wird das Image "der Band der alten Schulfreunde" schwer beschädigt.
Wie wichtig ihnen das Album selbst ist, zeigt die DVD-Trilogie, die The Cure 2003 veröffentlicht: Die Bandmitglieder spielen in Berlin an drei Abenden drei verschiedene Konzerte mit den Liedern von drei unterschiedlichen Alben – "Disintegration" ist natürlich dabei. Die Platte hat vielleicht nicht den selbstmörderischen Touch des "Pornography"-Albums aus den frühen 80ern, aber es reicht allemal, dass man 'ne anständige Depression davon bekommt. Aber die Hits halten einen doch am Leben.