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Ruhmeshalle Why? - Elephant Eyelash

Es gibt diese Platten, die klingen als kämen sie aus der Zukunft. "Elephant Eyelash" ist so eine. Why? haben mit diesem Album 2005 die perfekte Symbiose aus Experimental-Pop und HipHop geschaffen.

Von: Florian Kreier

Stand: 08.11.2012 | Archiv

Die Band Why? | Bild: Phoebe Streblow

Synthie-Beats, lächerliche Gangster-Attitüde und langweilige Texte: This is why HipHop sucked um die Jahrtausendwende. Zu der Zeit tauche ich lieber ab in die popmusikalischen Grauzonen der 60er, 70er, 80er… bis mir jemand eine Platte in die Hand drückt, mit folgenden Worten: "Ich hasse HipHop, aber wenn das auch HipHop ist, denk ich nochmal drüber nach." - "Klingt fresh" denke ich und packe die Platte sofort ein. Kurz drauf in meiner Studentenbutze haut es mich aus den Latschen, denn der Sound ist die Essenz der popmusikalischen Ursuppe, durch die ich mich gerade gefressen habe.

In der Musik klingt die Zukunft ja oft nach der Vergangenheit, also ist es gar nicht so verwunderlich, wie Yoni Wolf 2005 HipHop neu erfindet. Anstatt nämlich Plastik-Beats und Gangsta-Raps auf die Spitze zu treiben, verpasst er seinem Vintage-Hop die ungewöhnliche Klangfarbe von 60s-Folk und Experimental-Pop. Aber er rappt dabei nicht bloß auf Indie- Mixe, ebenso wenig singt er nur über HipHop-Beats. Er zerfleddert Popmusik und HipHop in bunte Einzelteile und bastelt daraus eine 40-minütige Achterbahnfahrt.

Why? - Elephant Eyelash (Cover)

"Elephant Eyelash" ist nicht die Geburtstunde des Indie-Hop. Eher sind Why? so etwas wie die Spitze eines Eisberges namens Anticon. Unter diesem Label vereinte sich im Laufe der 90er Jahre ein ganzer Haufen von HipHoppern, die ihre Lieblingsmucke weiter denken wollten. Und in ihrem Anticon-Hauptquartier in San Francisco starteten um die Jahrtausendwende experimentelle HipHop-Projekte wie cLOUDDEAD, Reaching Quiet oder auch Subtle. Und eben die Band Why?

Yoni Wolf - Sänger und Mastermind von Why? - ist vielleicht der interessanteste Part der Anticon-Posse: Ein Rapper mit Bob Dylan als Haupteinfluss, der Klavier spielt und drüber flowt, seine eigenen Ängste und Neurosen wunderbar einfühlsam beschreibt, aber sich gleichzeitig in derbem HipHop-Jargon darüber lustig macht. Und wenn man ihm so zuhört, wie er sich schusselig-elegant durch seine irrwitzigen Songlabyrinthe windet, hier noch ein musikalisches Zitat einstreut und da noch eine fabelhafte Idee, bekommt man irgendwie den Eindruck, dieser Typ hätte den absoluten Durchblick, oder scheint zumindest dem Rest der Welt um Jahre voraus zu sein. Sein ehemaliger Bandkollege bei cLOUDDEAD Dose-One hat passenderweise mal über ihn gesagt: "I met him at 18 and he was 40."

Yoni ist für mich der lang erwartete Gegenentwurf zum Durchschnitts-Rapper dieser Zeit: introvertiert und nachdenklich, aber witzig und provokant - außerdem in jeder Hinsicht mit offenen Augen und Ohren. Viele kommen durch seinen surrealen Schlafzimmer-Hop zum ersten Mal mit HipHop in Kontakt. Mich bringt dieser herrliche neurotisch-melancholische Avantgarde-Indie-Rap zurück zum HipHop. Nicht nur deshalb wird "Elephant Eyelash" für mich immer klingen, als wäre es die beste Platte des kommenden Jahres.


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