Ruhmeshalle The Notwist - Neon Golden
Wir blicken zurück auf das Must-Have-Album von The Notwist aus dem Jahr 2002: "Neon Golden". Ein Album, das aus dem verschrobenen Weilheimer Indiekollektiv eine Konsensband machte.
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Mit dem Album "Neon Golden" sind The Notwist nicht nur in den bayerischen, sondern endgültig in den internationalen Pop-Olymp aufgestiegen und sitzen dort seitdem friedlich neben Kraftwerk und Can.
Wir werden nicht müde, dieses Album zu loben und zu preisen und es als eines der besten deutschen Pop-Alben aller Zeiten in die Ruhmeshalle zu pinnen. Warum? "Neon Golden" ist ein frühes und trotzdem schon vollendetes Data-Pop-Meisterwerk. Selten zuvor und selten danach hat ein Album Pop, Melancholie, Jazz-Wissen und Elektronik so unangestrengt zusammengedacht wie das sechste Album der Band um die Brüder Markus und Micha Acher und Martin 'Console' Gretschmann.
Weilheimer mit amerikanischem Einfluss
The Notwist - Neon Golden (Cover)
Bis zu "Neon Golden" war es ein langer und keineswegs gerader Weg. Vielleicht versteht man den Quantensprung am besten, wenn man die Vergangenheit der Band genauer unter die Lupe nimmt. Ende der 80er-Jahre hat sich die Band in der oberbayerischen Kleinstadt Weilheim gegründet. Mit jeder Menge Wut im Bauch. Und unter dem Eindruck amerikanischer Hardcore- und Postpunk-Bands wie Rites Of Spring und Dinosaur Jr. Allerdings anders als die meisten Punkbands ausgestattet mit einer profunden musikalische Früherziehung, die die Acher-Brüder in der Dixielandkapelle ihres Vaters erworben hatten.
Der Dritte im Bunde
Mit The Notwist und dem mittlerweile leider verblichenen Hausmusik-Label war früh der Weilheim-Mythos geboren. Dieser Krach, diese Ecken-und-Kanten-Musik soll tatsächlich aus Bayern kommen? Hardcore und Punk war den musikalischen Freischwimmern aber bald zu eng. 1995 nehmen The Notwist den Elektroniker Martin 'Console' Gretschmann mit in die Band. Spätestens mit dem 98er-Album "Shrink" haben The Notwist dann alle musikalischen Wände eingerissen. Pop, Progrock, Gefrickel, die Leidenschaft für den Jazz und die Punkpubertät finden auf schon ganz elegante Weise zusammen.
"Shrink" wird Album der Woche im Zündfunk, schnuppert weit hinein in die Charts und mit "Chemicals" winkt ein erster kleiner Indie-Hit. Aber erst mit dem Album "Neon Golden" erreicht die Band absolute Souveränität. Kaum ein Album der jüngeren Zeit hat so mühelos alle Ecken und Winkel der City of Pop zu einem Stand- oder Stadt-Bild zusammengefügt, geschossen aus einer Google-Earth-ähnlichen Höhe. Dazu passt der immer etwas ferne, wehmütige und ja: wunderbare Gesang des Nichtsängers Markus Acher, der in seinen Texten gerne die Rolle des Außenseiters durchdekliniert. Der die Welt immer ein wenig schallgedämpft aus seinem Astronautenanzug betrachtet und dennoch versucht, Kommunikation aufzunehmen zu einem fremden Außen. Mit der Einsicht, dass es einfach nicht funktionieren kann: "One step inside doesn't mean you understand" singt Markus Acher voller Skepsis und doch ist der Sound auf "Neon Golden" immer tröstend und heimelig.
Die Zahlen stimmen
Mit über 100.000 verkauften Exemplaren und Platz zehn in den Deutschen Album-Charts wird "Neon Golden" zu einem der erfolgreichsten bayerischen Pop-Alben der letzten Jahre. Und auch international wird die Platte geliebt. Aber Verkaufserfolge allein sind kein Argument für einen Platz in unserer Ruhmeshalle. Viel wichtiger: "Neon Golden" war und wird immer ein Maßstab bleiben für alle Bands, die Pop und Elektronik zusammenbringen wollen. "Neon Golden" war und ist die Messlatte für alle Data Pop-Bands von Postal Service bis Styrofoam. Und "Neon Golden" steht exemplarisch für eine Zeit, als die Schranken zwischen Elektronik, Jazz und Pop gefallen sind, für eine Zeit, in der alle Nischen zu eng wurden. Vor allem aber wird "Neon Golden" seine Zeit überdauern. Es ist jetzt schon zeitlos, ein perfektes Pop-Album mit einem perfekten Lovesong am Ende.