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Der Bayer in Brooklyn nach der US-Wahl "Seine Zukunft muss man sich immer noch selbst gestalten"

PULS Reporter Matthias Röckl ist unser Bayer in Brooklyn. Er ist vor Jahren aus Bayern nach New York gezogen - nach dem Wahlsieg von Donald Trump hat er darüber nachgedacht, wieder nach Deutschland zurückzukommen.

Von: Teresa Fries

Stand: 10.11.2016 | Archiv

Demonstranten vor dem Trump Tower | Bild: picture-alliance/dpa

Matthias Röckl lebt – mittlerweile mit Frau und zwei Kindern – seit zwölf Jahren in New York. In der New York City Radio Show berichtet er bei PULS immer am zweiten Samstag im Monat von den neuesten Trends, den abgefahrensten Geschichten und den coolsten Ideen aus dem Big Apple. Jetzt haben wir mit ihm gesprochen, wie sich Leben in New York für ihn anfühlt nachdem klar ist, dass Donald Trump der neue Präsident der USA sein wird.

PULS: Matthias, wie hast du den Wahltag erlebt?

Matthias Röckl: Ich war den ganzen Tag unterwegs, weil man in New York die Wahl natürlich zu einem Spektakel gemacht hat. Zum Beispiel war ich in einer Bäckerei, da gab es kostenlosen Kaffee und dazu einen Hillary-Clinton- oder einen Donald-Trump-Cupcake für alle Leute, die einen Wahlsticker hatten. Ich durfte ja leider nicht wählen, insofern musste ich meinen Cupcake kaufen. Aber die Hillary-Cupcakes waren äußerst beliebt, und für mich hat sich ganz klar abgezeichnet: Das ist jetzt endlich das Ende dieses Schmuddel-Wahlkampfs, wir müssen uns das nicht mehr anschauen, Hillary übernimmt das Steuer heute Abend. Aber es kam ja leider ganz anders.

Laut der Cupcakes-Umfrage hätte Hillary gewinnen müssen...

Das heißt, du hattest auch überhaupt nicht damit gerechnet, dass Trump gewinnt?

Gar nicht. Ich dachte, Hillary sackt Florida ein und damit ist die Sache geritzt. Aber dann hat sich alles viel zu lange hingezogen, Florida ging an Trump und die Nachrichten und Hillarys Werte wurden immer schlechter. Als ich dann gesehen habe, dass die ersten Leute angefangen haben zu weinen, weil die New York Times Donald Trump als den Gewinner prognostizierte, da ist mir wirklich sehr übel geworden, mir ist wirklich richtig schlecht geworden.
Mein Nachbar hatte immer gesagt: Vergiss es, Donald Trump wird in diesem Land nie gewinnen können. Ein anderer Freund meinte, als rauskam, dass Trump Frauen sexuell belästigt hat, wird er auf keinen Fall gewinnen. Ich habe ihm am Wahlabend eine Textnachricht geschrieben, er hat nur geantwortet: „I fell very very sick“. Ein anderer Freund, der zwei Monate ununterbrochen für die Hillary Campaign gearbeitet hat, schrieb nur: „I’m totaly lost“.

Was ging dir als erstes durch den Kopf, als sich abgezeichnet hat, dass Trump gewinnt?

Ich war auf einer Wahlparty in einem Restaurant, und meine Frau hat mir ständig ganz apokalyptische Nachrichten geschrieben. Sie meinte, unsere Krankenversicherung und die Krankenversicherung unserer Kids stünden auf dem Spiel, und wenn Trump gewinne, dann werde sich das alles ändern und überhaupt, wer mache dann noch was für die Umwelt. Ich hab versucht sie zu beruhigen und gesagt: Mach dir keine Sorgen, das wird schon.

Wie sahen deine ersten Gespräche nach dem Ergebnis aus? War das eher Galgenhumor oder verdrängt man das, weil man nicht glauben kann, was da gerade passiert ist?

Galgenhumor hatte ich keinen mehr, auch keine zynischen Kommentare – ich hatte nichts mehr auf Lager. Ich hab sofort zu meiner Frau gesagt, diese megagroße Enttäuschung und Traurigkeit, die möchte ich auch von meinen Kinder fernhalten. Denn wie bei vielen jungen Familien war dieser Wahlkampf auch zuhause immer wieder Gesprächsstoff. Ich hab zwei Tage vorher noch zu meinem Sohn gesagt: Hey, zieh jetzt endlich mal das Anti-Trump-Shirt an, dass ich dir gekauft habe, weil wer weiß, sonst wird er noch Präsident, nur weil du es nicht getragen hast. Das war natürlich nur ein Witz, er hat gelacht und sich dann für sein FC-Bayern-T-Shirt entschieden. Zwei Tage später musste ich ihm sagen, dass es wirklich Trump geworden ist und nicht Hillary. Ich habe ihm erklärt, er soll sich keine Sorgen machen und sich auf Fußball und die schönen Dinge des Lebens konzentrieren. Er ist ja erst sieben Jahre alt. Aber es ist generell so, das viele Familien jetzt vor der Herausforderung stehen, wie sie das ihren Kindern erklären, denn alle haben hier über Politik geredet in den letzten Monaten.

Matthias Röckl auf Dreh in New York

Hast du das Wahlergebnis mittlerweile schon ein bisschen verdaut?

Mir geht’s immer noch nicht besonders gut, muss ich sagen. Es war auch unglaublich beunruhigend, ins Bett zu gehen und zu wissen, wenn ich in der Früh aufstehe, dann wird ganz offiziell verkündet werden, dass Trump der Sieger ist. Ich bin am Wahlabend nach Hause gegangen, und es war wie bei so einem Fußballspiel, wo nur noch 30 Sekunden zu spielen sind und klar ist, dass es keiner schaffen wird, noch zwei Tore zu schießen. Es war wirklich dramatisch zu wissen: Morgen wache ich auf und dann steht das fett in der Zeitung. Verdaut hab ich es noch nicht.

Was sind denn jetzt konkret deine Ängste und Sorgen?

Zum Beispiel die Krankenversicherung, wie schon angesprochen: Wer freischaffend ist, hat hier in den USA Obamacare. Meine Frau auch. Die Versicherung muss jedes Jahr neu verhandelt und verlängert werden. Es ist gibt teilweise einen Eigenanteil von 1000 oder 2000 Dollar. Man muss also erstmal so oft zum Arzt gehen, bis man das gezahlt hat, und erst dann greift die Versicherung. Viele Ärzte nehmen einen auch nicht an, wenn man nicht die richtige Versicherung hat. Das ist alles schon doof genug. Obamacare soll jetzt abgeschafft werden, das sagt zumindest Trump. Ich sag aber, lieber eine schlechte Versicherung als keine. Es gibt viele solcher Sorgen für den Alltag hier mit dem neuen Präsidenten.

Hat sich dein Bild von New York und den USA als deine Wahlheimat nun geändert?

Ich glaube, dass New York immer noch liberal ist, auch jetzt nach dem Wahlausgang, und auch liberal bleiben wird. Mir tun die Leute wirklich leid, die ganz stark davon betroffen sein werden. Einwanderer aus Mexiko, Familien mit vielen Kinder, bei denen die Eltern keine Papiere haben und die vielleicht jetzt abgeschoben werden können. Auch Leute aus der LGBT-Community, die sich über Fortschritte in den letzten Jahren gefreut haben wie Gay-Marriage zum Beispiel. Jetzt mit dem neuen Präsidenten und vor allem dem Vizepräsidenten kann das bald schon wieder ganz anders aussehen. Viele Fortschritte aus den letzten Jahren will Trump jetzt wieder zurücknehmen. Davor haben ich und viele Leute Angst.

Hast du darüber nachgedacht zurück nach Deutschland zu kommen?

Natürlich ist es eine Option, nach Deutschland zu gehen. Das Leben wäre dort, auf dem Papier zumindest, viel einfacher. Man hat dort bessere Versicherungen, die Mieten sind viel geringer als in New York. Man müsste wahrscheinlich auch weniger arbeiten. Trotzdem, die Lebenslust der New Yorker, die Mentalität und diese Stimmung, dass man generell immer das beste aus Situationen macht, das ist sehr ansteckend. Deswegen bin ich immer noch sehr gerne hier. Und ich habe hier einen guten Job als Journalist. Warum sich also nicht als Deutscher die Mentalität aneignen und das beste aus der Situation machen? Der Präsident ist nicht der, den man wollte, aber die Zukunft muss man immer noch selbst gestalten. Man muss sich einsetzen, man muss für das kämpfen, für was man steht. Das hat die Hillary auch in ihrer Rede gesagt: Let’s do it.


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