Containern "Wir fordern, dass Supermärkte noch genießbare Lebensmittel weiterverteilen müssen!"

Containern ist in Deutschland verboten. Wer dabei erwischt wird, landet im schlimmsten Fall vor Gericht - so wie zwei Studentinnen aus Oberbayern. Uns haben die beiden selbsternannten Essensretterinnen erzählt, warum sie jetzt aber nicht kampflos aufgeben wollen.

Von: Miriam Harner

Stand: 19.11.2018 | Archiv

Semmeln und Brot im Müll | Bild: picture-alliance/dpa

Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. Das meiste davon stammt zwar aus unseren Kühlschränken, aber auch viele Supermärkte sortieren täglich kiloweise Lebensmittel aus - vieles davon noch genießbar: abgelaufener Joghurt, Bananen mit Druckstellen oder Brot vom Vortag. Trotzdem darf man die noch essbaren Sachen nicht einfach aus dem Müll fischen und mit nach Hause nehmen - das wäre Diebstahl. Containern ist in Deutschland illegal. Die Lebensmittel gehören so lange dem Supermarkt, bis sie von der Müllabfuhr abgeholt werden. Die Studentinnen Caro (27) und Franzi (25) aus Olching bei München wurden beim Containern erwischt und haben jetzt ein Verfahren wegen schweren Diebstahls am Hals.

PULS: Ihr steht wegen schweren Diebstahls vor Gericht - was ist genau passiert?

Caro: Anfang Juni waren wir abends Containern beim Edeka bei uns in Olching, also Lebensmittel aus der Mülltonne retten. Wir hatten bereits zwei Fahrradtaschen und zwei Rucksäcke gefüllt, als eine Polizeistreife um die Ecke gebogen kam. Die Polizisten wollten zuerst wissen, was wir da machen und haben uns dann durchsucht, auch nach Waffen. Die waren zwar an sich freundlich, aber trotzdem haben sie uns wie Verbrecher behandelt. Dementsprechend krass war auch die Situation. Wir mussten auch alle Lebensmittel, die wir containert hatten, vor ihnen ausbreiten und dann zurück in die Tonne werfen. Mitnehmen durften wir davon nichts. Die Polizisten fanden das nicht so toll, was wir gemacht haben und es kam letztlich zu einer Anzeige von der Polizei, was dann an die Staatsanwaltschaft ging - auch von Seiten Edekas. Edeka hat aber mittlerweile den Strafantrag zurückgenommen. Kurz darauf haben wir einen Strafbefehl mit der Forderung von jeweils 40 Tagessätze à 30 Euro bekommen, das heißt insgesamt hätten wir 2400 Euro zahlen sollen. Das haben wir nicht eingesehen und haben dagegen Einspruch eingelegt.

Was hattet ihr denn an dem Abend aus dem Müll gefischt?

Caro: Ich erinnere mich an Paprika, Zucchini, ganz viele Milchprodukte wie Joghurt und Frischkäse, Humus, Säfte - alles bunt gemischt und alles noch gut. Zum Teil waren das Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht mal abgelaufen war.

Wie habt ihr reagiert, als der Strafbefehl über 2.400 Euro reingeflattert kam? Das ist ja schon ein ganz schöner Batzen Geld - gerade, wenn man noch studiert.

Caro: Wir waren sehr überrascht.

Franzi: Grade auch wegen dieser Härte. In unserem Freundeskreis haben alle gesagt, dass das nicht weiterverfolgt wird. Uns sind alleine zwei Fälle im Großraum München bekannt, wo die Umstände ähnlich sind. Die wurden aber einfach eingestellt, ohne dass da ein Strafbefehl hinterher kam. Man hat schon das Gefühl, dass unser Fall außerordentlich stark kriminalisiert wird.

Ihr seht jetzt allerdings nicht ein, Strafe zu zahlen. Warum? Containern ist in Deutschland schließlich illegal.

Franzi: Erstens, weil wir nicht glauben, dass dadurch jemand zu Schaden gekommen ist. Zweitens ist es moralisch nicht vertretbar, dass Lebensmittel, die man noch verwenden kann, in rauen Mengen in der Tonne landen, wenn zur gleichen Zeit Deutschland und andere Länder nicht genügend zu essen haben. Das finde ich nicht vertretbar.

Caro: Und wir wollen mit unserem Fall an die Öffentlichkeit treten um zu zeigen, wie absurd die Gesetzeslage und die Strafverfolgung in Bezug auf Containern in Deutschland ist.

Ihr habt auch eine Petition gestartet. Worum geht es in der?

Franzi: Wir fordern eine Gesetzesänderung, dass die Supermärkte dazu verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel weiter zu verteilen - so wie es in Frankreich und Wallonien schon der Fall ist. In Frankreich wird es sogar geahndet, wenn Mülltonnen abgesperrt werden von den Supermärkten.

Caro: Die Petition ist zum einen an Bundesjustizministerin Katharina Barley gerichtet, zum anderen auch an den Vorstandsvorsitzenden von Edeka, Markus Moser. Wir wollen ihn dazu anregen, konkret etwas gegen die Lebensmittelverschwendung zu tun. Wenn Edeka mit gutem Beispiel vorangehen würde, dann würden bestimmt ganz viele Supermärkte einfach nachziehen.

Sendung: Filter, 19.11.2018 - ab 15.00 Uhr