Dorfläden im Trend Sind Dorfläden die besseren Supermärkte?
Bei Dorfläden denkt man schnell an ramschige Tante-Emma-Läden. Tatsächlich spielen sie in einer Gemeinde aber eine wichtige Rolle und sind großen Discounter in einigen Punkten sogar voraus.
Du willst einen Kuchen backen und dann fällt dir auf, du hast keine Butter mehr. Kein Problem - schnell zum Supermarkt um die Ecke und dann geht’s weiter. Für viele Menschen in Bayern wäre aber genau das ein Problem, denn über 600 Gemeinden in Bayern hatten 2016 keine eigene Nahversorgung, also keine größeren Läden und Supermärkte in der direkten Umgebung, wie das Bayerische Wirtschaftsministerium mitteilte.
Bis vor zwei Jahren musste auch Anja Maucher bei jedem Einkauf 20 Minuten mit dem Auto fahren. Die 24-Jährige Einzelhandelskauffrau kommt aus Oberreute, einem bayerischen Dorf nahe am Bodensee mit circa 1.600 Einwohnern. "Bei uns in Oberreute gibt’s sonst eigentlich auch gar nichts außer einer Metzgerei", sagt Anja und deswegen gründete sie vor zwei Jahren den Dorfladen Oberreute. Hier gibt es alles, was man auch in einem normalen Supermarkt finden würde - nur, dass es zum Beispiel statt vierzig verschiedener Joghurts nur zehn Sorten gibt. Heute ist der Dorfladen der Mittelpunkt der Gemeinde und wird vom ganzen Dorf besucht. "Da wir ein Café mit Frühstücksangebot haben ist es wirklich bunt gemischt - da kommen ganz junge und natürlich auch unsere Rentner", sagt Anja.
Dorfläden sind oft umweltfreundlicher als Supermärkte
Dass Oberreute in den letzten Jahren einen Dorfladen bekommen hat, ist kein Zufall, denn Dorfläden werden immer beliebter und die Neugründungen schießen in die Höhe. Unternehmensberater Wolfgang Gröll hilft schon seit über 20 Jahren Gemeinden ihre Dorfladenprojekte umzusetzen. "Vor einigen Jahren hatten wir zwei bis drei Eröffnungen pro Jahr – mittlerweile sind es circa fünfzehn," sagt er. Praktisch sind Dorfläden natürlich für Rentner, die nicht mehr Auto fahren und auch für junge Familien mit nur einem Auto macht ein Dorfladen vieles einfacher.
"Aber auch junge Leute nutzen sie gerne und zwar wegen der gesunden Lebensmittel. Sie wollen heute vermehrt wissen: woher kommen die Produkte, welcher Landwirt stellt sie her? Und diese kurzen Wege ermöglichen dem Kunden natürlich auch die Kontrolle über die Herkunft von Produkten."
Wolfgang Gröll, Unternehmensberater
Nachhaltigkeit ist auch Anja in ihrem Dorfladen wichtig. Bei der Produktauswahl achtet sie besonders auf Regionalität: Brot vom Bäcker aus dem Nachbarsdorf, Erdbeeren vom Bodensee und Joghurt und Frischkäse stellt ihr Vater in seiner eigenen Käserei her.
"Gerade diese Eigenproduktion zieht besonders. Viele extra vorbei, weil sie die Produkte kennen, wissen, dass es schmeckt und keine Konservierungsstoffe drin sind."
Anja Maucher, Dorfladenbesitzerin
Und auch bei der Verpackung denkt sie nachhaltig - statt in Plastiktüten kommen Obst, Gemüse und andere lose Produkte in Papiertüten. Besonders beliebt sind auch die Einkaufstüten, die Kunden im Dorfladen Oberreute bekommen: Die wurden nämlich von Oberreutern aus Stoffresten genäht und können in Anjas Laden für eine kleine Spende gekauft werden.
Ein Dorfladen ist oft der Mittelpunkt einer Gemeinde
Wolfgang Gröll sieht in Dorfläden neben der Nachhaltigkeit noch einen anderen großen Vorteil: die Kommunikation. Meist ist in einem Dorfladen auch ein kleines Café integriert, das Kunden nach dem Einkauf nutzen. "Damit fördert man ganz stark den Zusammenhalt und die Kommunikation innerhalb eines Dorfes", sagt Gröll.
Dass ein Dorfladen eine Gemeinde zusammenschweißen kann, das bemerkt auch Anja. Jeden Montag trifft sich eine Laufgruppe im Café ihres Ladens, regelmäßig kommt auch eine Turnergruppe vorbei und wie in den meisten Dorfläden gibt es auch Oberreute einen Stammtisch. "Wenn sich Leute zufällig bei uns treffen, bleiben sie oft noch da und trinken zusammen Kaffee", sagt Anja. Lange Zeit gab es in Oberreute keinen Ort, an dem sich die Bewohner treffen konnten. Mittlerweile kommt ganz Oberreute in den Dorfladen und das integrierte Café. "Viele Leute sagen, dass mit dem Café einfach wieder mehr Leben im Dorf ist", erzählt Anja, "es ist immer was los bei uns."
50 Stunden wöchentlich investiert Anja in ihren Laden und das möchte sie auch gerne bis zur Rente fortsetzen, denn der Dorfladen Oberreute läuft gut. Aber obwohl der Dorfladen so beliebt ist - für den großen Wocheneinkauf fahren die Meisten trotzdem noch zum nächsten Supermarkt.
Sendung: Freundeskreis vom Montag, 11.02.2018