Foodsharing, nur anders Wieso in der Schweiz Kühlschränke in der Öffentlichkeit stehen

Es passiert immer wieder: Kurz vor der nächsten Reise noch schnell Lebensmittel gebraucht, viel zu viel gekauft und keine Ahnung wohin mit den Sachen. In den Müll? Bloß nicht. In der Schweiz gibt es dafür eine Lösung.

Von: Shahrzad Osterer und Maria Christoph

Stand: 15.01.2020 | Archiv

Die Gemeinschaftskühlschränke von “Madame Frigo” sollen Food Waste in der Schweiz reduzieren. | Bild: Instagram/Madame Frigo

Wer zu viel kauft und nicht weiß wohin damit, produziert Food Waste. Das ist ein großes Problem. Weltweit werden etwa ein Drittel unserer Lebensmittel weggeschmissen. Gleichzeitig hungern rund eine Milliarde Menschen täglich. Zu einem großen Anteil sind wir, also private Haushalte, daran schuld. Die Deutschen werfen laut Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) pro Kopf und Jahr rund 55 Kilogramm Lebensmittel weg – knapp die Hälfte davon ist prinzipiell noch genieß- und verwertbar. Es geht dabei vor allem um frisches Obst und Gemüse. Deswegen hatte das BMEL im letzten Jahr die Informationskampagne "Zu gut für die Tonne!" gestartet.

Handeln statt reden

Handeln statt "nur" reden: Das dachten Studierende aus der Schweiz, die sich mit dem Thema Food Waste intensiv beschäftigen. Ihre Idee: Eine offizielle öffentliche Anlaufstelle, von der jeder weiß, die ganz in der Nähe ist und wo jederzeit Kühlschrank-Überbleibsel abgeliefert werden können.

Genau sowas gibt’s in der Schweiz. Dort verursachen Privathaushalte – ähnlich wie bei uns – knapp die Hälfte des Food Wastes. Also haben die Studierenden im Rahmen eines Uni-Seminars ihre Idee ausgearbeitet und 2014 den gemeinnützigen Verein "Madame Frigo" gegründet. Das Ziel: Einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln schaffen, sensibilisieren und gleichzeitig auch den nachbarschaftlichen Austausch stärken. Dank finanzieller Unterstützung durch das Schweizer Unternehmen Migros stehen mittlerweile öffentliche Gemeinschaftskühlschränke in neun größeren Städten: Bern, Thun, Zürich, Freiburg, Spiez, Uri, Lenzburg, Interlaken und Aarau.

Das Konzept ist einfach: Jeder kann Lebensmittel abgeben, die sonst ablaufen würden und sich bei Bedarf etwas anderes rausnehmen. Ganz ohne Passwörter oder Schlösser. Rein dürfen: Obst, Gemüse, verschlossene Produkte, die höchstens das Mindesthaltbarkeitsdatum, nicht aber das Verbrauchsdatum überschritten haben. Die Schweiz unterscheidet zwischen diesen Zeitpunkten. Nicht erlaubt sind Alkohol, Fleisch und zubereitete Speisen. Die Kühlschränke werden regelmäßig von Leuten aus dem Quartier, den sogenannten “Kühlschrankgottis und -göttis”, sauber gehalten, Verdorbenes wird entsorgt.

Kühlschränke an strategischen Stellplätzen

Die Orte, an denen die Kühlschränke stehen, sind nicht willkürlich ausgewählt, sagt Lukas Siegfried, der Sprecher von "Madame Frigo": "Es ist uns wichtig, dass die Kühlschränke für viele Leute mit einer Routine kombinierbar sind: Also dass der Kühlschrank zum Beispiel in der Nähe einer Bushaltestelle steht. Und dass die Leute täglich daran vorbeikommen, so dass sie ihn einerseits sehen und andererseits auch nicht so einen großen Aufwand betreiben müssen, um da noch ihre Lebensmittel, die sie überschüssig haben, zu deponieren."

Natürlich geht es "Madame Frigo" nicht darum, die Kühlschränke so voll wie möglich zu bekommen, erklärt Lukas: "Im Idealfall bräuchte es unsere Kühlschränke gar nicht. Dann wäre nämlich kein Food Waste vorhanden. Uns geht es darum, dass die Leute durch unsere Kühlschränke auch automatisch überlegen, wie sie es schaffen, besser einzukaufen und dadurch weniger wegschmeißen."

Der gemeinnützige Verein plant derzeit eine Studie zur Nutzung der Kühlschränke. Ob und wie stark sich Food Waste dadurch reduzieren lässt, lässt sich also noch nicht genau sagen. Als Initiative ist "Madame Frigo" allerdings bereits Ansprechpartner bei Kampagnen zum Thema.

PULS am 13.01.2020 – ab 15 Uhr