Schmerzen, Haarausfall, Depressionen Wie die Hormonspirale euch fertig machen kann
Damaris wollte eine sichere und unkomplizierte Verhütung. Ihre Frauenärztin empfahl ihr eine Hormonspirale – und die brachte sie fast in die Psychiatrie.
Damaris ist 26 und hat ein erhöhtes Thromboserisiko. Die Pille durfte sie deswegen noch nie nehmen, sie verhütet immer mit Kondom. Aber als sie 2015 nach zwei Jahren mit ihrem Freund zusammenzieht, sucht sie nach einer Alternative.
Ihre Frauenärztin empfiehlt die kleine Hormonspirale "Jaydess": Die sei unkompliziert, sicher und gut verträglich. Von möglichen Nebenwirkungen ist keine Rede. Damaris fragt nicht danach. Fünf Minuten vor dem Eingriff bekommt sie den Beipackzettel in die Hand gedrückt - zum Lesen bleibt da nicht wirklich Zeit. Es scheint ihr aber auch nicht so wichtig, sie vertraut schließlich ihrer Ärztin.
Hormonspirale: Verschreibung aus Profitgier?
Was Damaris und vielen anderen Frauen nicht bewusst ist: Der Grund dafür, dass Ärzte so gerne die Hormonspirale verschreiben, ist nicht unbedingt immer, dass sie die beste Verhütungsmethode für die Patientin ist. Der pensionierte Frauenarzt Thomas Dossler glaubt stattdessen, dass es unter anderem am Profit liegt, den Ärzte durch die Hormonspirale machen: "Als die Hormonspirale 1996 vorgestellt wurde, stand schon damals der Hinweis auf ein lukratives Geschäft im Vordergrund."
Etwa 160 Euro kostet die Hormonspirale heute in der Apotheke, für bis zu 400 Euro wird sie in den deutschen Praxen verkauft - inklusive der ärztlichen Leistung für das Einsetzen. Außerdem wird die Patientin dadurch für mehrere Jahre an die Praxis gebunden, weil sie zweimal im Jahr zu Ultraschallkontrollen kommen muss, was ebenfalls als Privatleistung abgerechnet wird. Am meisten verdienen aber nicht die Ärzte, sondern der Hersteller der Hormonspirale, die Firma Bayer. Unter den zehn umsatzstärksten Produkten des Konzerns lagen die Spiralen "Mirena" und "Jaydess" 2016 mit über einer Milliarde Euro Umsatz auf Platz vier - weit vor Aspirin.
Pickel, Haarausfall und dann war die Libido weg: Diganose? Bournout
Kurz nachdem Damaris die Hormonspirale eingesetzt wurde, fängt ihr Körper an, sich zu verändern. Sie hat Bauchkrämpfe, Haarausfall, bekommt unreine Haut und brüchige Nägel. Dazu kommt, dass sie jegliche Lust auf Sex verliert. "Ich wollte nicht mal ansatzweise in irgendeiner Form sexuell berührt werden. Wirklich gar nicht mehr", erzählt sie. Ständig sei sie müde gewesen und kraftlos, selbst ein bisschen Hausarbeit schien ihr manchmal nicht mehr zu bewältigen: "Ich stand da mit Tränen in den Augen - nur wegen eines bisschen dreckigen Geschirrs." Ihr ganzes Sozialleben leidet. Früher war sie viel unterwegs, hat sich mit Freunden getroffen. Nun will sie eigentlich nur noch allein auf ihrem Sofa sitzen und ihre Ruhe haben.
Ihre Frauenärztin erkennt die Symptome nicht als Nebenwirkungen der Spirale. Als Damaris ihre Beschwerden schildert, wird sie zur Hausärztin geschickt - sie habe wohl zu viel Stress. Dort wiederum bekommt sie eine Diagnose: Burnout. Die Ärztin will sie in eine Psychiatrie überweisen, doch Damaris weigert sich. Sie sucht weiter nach einer Antwort und irgendwann in einem Gespräch macht es bei ihr "Klick". Sie erkennt, dass der Zeitpunkt, an dem alle Veränderungen begannen, ungefähr mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, als sie die Spirale bekam. Damaris sucht im Internet nach "Jaydess" und "Nebenwirkungen": "Ich habe geweint, weil ich mich in allem, was ich da gelesen habe, wiederfinden konnte."
Neue Spirale - alte Nebenwirkungen
Im Netz finden sich unzählige Berichte von Frauen, die unter Nebenwirkungen von hormonellen Verhütungsmethoden leiden. Viele ähneln denen von Damaris. Und trotzdem werden diese Verhütungsmittel immer weiter gerne verschrieben. Bayer bringt sogar noch eine dritte Hormonspirale auf den Markt. Beim "International Women’s Health Summit" am 12. Mai in Berlin, stellt der Hersteller die "Kyleena" vor. Sie ist niedriger dosiert als die "Mirena", aber höher als die "Jaydess" und kann bis zu fünf Jahre lang verhüten. Der deutsche Beipackzettel liegt bisher noch nicht vor, allerdings der für die Schweiz und ein Blick darauf zeigt: Neue Spirale, neuer Name, aber die Nebenwirkungen bleiben genau dieselben.
Damaris geht es heute wieder gut. Als sie den Zusammenhang erkannt hatte, ließ sie sich die Spirale sofort am nächsten Tag entfernen. Die Symptome nahmen direkt ab und sind mittlerweile komplett verschwunden. Was Damaris aus ihrem Jahr mit der Spirale bleibt: das Misstrauen in die Ärzte und die Erkenntnis, nie wieder einen Beipackzettel nur zu überfliegen.
Sendung: Filter, 12.05.2017 - ab 15.00 Uhr