Feminismus und Rap "Wenn ich mich unsicher fühle, pack ich mir GZUZ auf die Ohren"
Lena Grehl und Miriam Davoudvandi sind Feministinnen - und Rap-Fans. Über die Vereinbarkeit von beiden halten sie Vorträge in ganz Deutschland. Wir haben mit Lena über ihre Guilty-Pleasures und Hate im Internet gesprochen.
PULS: Lena, wann bist du denn das erste Mal mit Rap in Berührung gekommen?
Lena Grehl: Eigentlich relativ unklassisch durch meinen Vater. Der hatte immer Schallplatten von Outkast und Eminem zu Hause. Da bin ich dann so mit 8 oder 9 das erste Mal wirklich damit in Berührung gekommen und fand das ganz toll und aufregend. Es waren ja auch "verbotene" Wörter in den Texten, was ich sehr spannend fand. Dann hab ich mit 13 den MP3-Player meiner älteren Schwester gemopst und da waren dann zum Beispiel die ganz frühen K.I.Z-Sachen und auch so schlimmer Horror-Core-Rap drauf. Mich haben immer Dinge stark angezogen, die mir als 12- bis 14-Jähriges Mädchen sehr verboten erschienen.
Dir war ja da schon bewusst, dass das "verbotene" Texte sind - ab welchem Zeitpunkt hast du denn ganz aktiv auf Texte gehört und die Bedeutung verstanden?
Tatsächlich war das bei mir erst noch das komplette Gegenteil: Bis ich 16 oder 17 war, fand ich das sehr cool, sexistische Texte mitzurappen - weil das eben gar nicht meiner Person entspricht. Irgendwie war das so ein Auflehnungs-Ding für mich. Miriam und Ich haben dann beide angefangen, uns zu politisieren und dann auch erst gelernt, was Feminismus überhaupt ist. Warum ist dieser Text diskriminierend, warum ist es nicht cool, "schwul" als Beleidigung zu benutzen? Ich glaube das ist ein Prozess, den viele durchgemacht haben. Aber nicht alle haben sich dazu entschlossen, das weiter zu verfolgen oder das zumindest zu reflektieren. Das ist bei Miriam und mir durch die Politisierung gekommen, die man eben so mit 18 oder 19 durchmacht.
Kannst du dich noch an den Moment erinnern, in dem du gecheckt hast: Krass, der Rap-Text ist wirklich diskriminierend?
Das war eher ein Schuppen-von-den-Augen-Moment, als ein langer Prozess. Ich hab mich vorher eben sehr stark gesträubt, mich mit diesen Themen auseinander zu setzen. Irgendwann hab ich dann gemerkt: Okay, diese Menschen, die diese Texte schreiben und rappen, begreifen mich nicht als Person mit einer Daseinsberechtigung. Ich hätte die Texte ja auf jeden Fall gegen mich, meine Freundinnen oder meine Mutter verstehen können.
Miriam und du, ihr macht zusammen den Vortrag "I got 99 problems but being a feminist listening to rap ain't 1". Wie ist der entstanden?
Irgendwann hab ich mal mit meinen Freundinnen ein feministisches Festival in Berlin-Moabit ins Leben gerufen. Da wollte ich unbedingt zusammen mit Miriam einen Vortrag halten, damit wir da auch ein bisschen üben können. Der Vortrag hat dann leider aus verschiedenen Gründen nicht stattgefunden, aber der Ansturm war relativ groß - wir wurden danach auch oft drauf angesprochen, dass der Bedarf auf jeden Fall da ist und dass es sehr wichtig ist, darüber zu sprechen. Daraufhin wurden wir dann in ganz Deutschland gebucht.
Wie ist denn so die Rückmeldung auf eure Vorträge - gibt es da einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?
Es kommt immer stark darauf an, in welchem Kontext wir den Vortrag halten. Wir waren jetzt viel in eher linken Clubs unterwegs, die eh schon sehr stark politisiert sind und sich mit Feminismus, Gender und Diskriminierung auseinander setzen. Da ist es dann relativ einfach, die Menschen abzuholen. Es waren dann aber auch durchaus Menschen da, die danach sehr viele Fragen hatten und nicht nur dankbar waren. Das ist aber ein sehr kleiner Teil. Auf der Bühne oder danach kriegen wir eigentlich keinen Hate, eher dann von ein paar Dudes im Internet. Die schreiben dann zum Beispiel, dass genau das, was wir machen, das Problem mit Hip-Hop ist. Das nehmen wir dann gar nicht mal so ernst.
Was ist denn eure konkrete Lösung für das Problem: Ich bin Feminist*in und höre gerne Rap. Ignoriert ihr die schlimmen Texte oder hört ihr nur bestimmten Rap?
Es gibt sehr viele unterschiedliche Herangehensweisen und eine ist tatsächlich, da mit einer gewissen ignoranten Haltung dran zu gehen: Mir gefällt halt der Beat und ich höre nicht auf den Text. Es gibt aber auch ganz andere Möglichkeiten, Rap zu hören. Ich zum Beispiel mach das so: Wenn ich mich nachts alleine auf der Straße unwohl fühle, dann pack ich mir GZUZ auf die Ohren und fühl mich sehr viel breiter. Als könnte mir niemand irgendetwas anhaben. In dem Moment kann ich mir diese übermännlichen Verhaltensweisen aneignen und das aufnehmen. Das finde ich dann auch voll in Ordnung und sehe das nicht als Rückschritt, sondern wenn es mir für den Moment hilft, dann sollte man das nicht krass verurteilen. Das wird natürlich anders, wenn die Texte so stark frauenverachtend oder schwulenfeindlich sind, dass einem dabei schlecht wird. Dann ist es aber auch einfach zu sagen: Die Musik höre ich nicht mehr, unterstütze ich nicht mehr - man kann sehr einfach Künstler*innen auf Spotify blocken, dann tauchen die nicht mehr in Playlisten auf. Es gibt genug andere Möglichkeiten, genug Frauen und nicht männliche Personen, die rappen. Das ist die faulste Ausrede überhaupt zu sagen, dass es das nicht gibt und dass man dann nicht weiß, was man hören sollte.
Ihr arbeitet beide in der Medienbranche - du bei zwei funk-Formaten und Miriam als Chefredakteurin beim splash!-Mag. Wie geht ihr denn beide mit Sexismus im Alltag um? Hat euch das abgehärtet?
Ich will nicht für Miriam sprechen, aber ich bekomme da natürlich auch ein paar Sachen mit. Die Szene ist extrem klein und man kriegt sehr viel mit. Da passieren ab und zu auch mal ein paar unschöne Sachen und es wird grade bei ihr als Moderatorin auf Plattformen wie Facebook oder YouTube oft mit extrem sexistischen Kommentaren reagiert. Es sollen keine kritischen Fragen gestellt werden, manche trauen ihr das nicht zu - Ich denke mal, das kann schon sehr anstrengend sein. Aber ich finde, dass sie das sehr gut löst. Im Rap-Journalismus in Deutschland werden ja zum Glück gerade immer mehr weibliche Stimmen groß. Die Formate, für die ich arbeite, haben beide eine feministische Ausrichtung und das Missy-Magazine ja sowieso. Dadurch hab ich das Glück, dass die Zuschauer*innen und Leser*innen schon mit Feminismus in Berührung gekommen sind und nicht alles gleich kacke finden und mich zum Teil des Problems machen.
Lass uns doch mal kurz einen Fall durchspielen: Ihr beide feiert einen Rapper ziemlich sehr und dann kommt raus, dass derjenige jemanden missbraucht hat. Was macht ihr dann?
Erstmal ist da der Reflex: Mist, schade. Den fand ich echt cool. Dann würde ich mich auf jeden Fall sehr kritisch damit auseinander setzen. Und dann müsste ich sagen: Ciao, war schön, du hast mir viel gegeben. Aber ich würde schon versuchen, das nicht mehr in meinen Alltag zu integrieren. Ich wäre dann wahrscheinlich auch Teil der call-out und Cancel-Culture.
Ihr beide habt auch Guilty-Pleasure, hab ich gelesen: Haftbefehl und GZUZ. Ihr seid also nicht komplett rigoros mit eurem Rap-Konsum?
Nein, wir sind ja trotzdem Teil der Kultur und der Szene - Miriam wahrscheinlich noch mehr als ich. Es wäre komplett falsch zu sagen, dass ich mich da komplett von losmachen kann. Ich glaube, dass man kritisch konsumieren kann und wenn man immer wieder hinterfragt und sich damit auseinandersetzt, dann kann der Vorwurf gar nicht so groß sein. Es liegt halt immer eine besondere Last auf Menschen, die sich öffentlich gegen oder für etwas aussprechen und dann doch "erwischt" werden. Bei uns wird halt einfach ein besonderes Augenmerk drauf gelegt. Ich finde, davon kann man sich zu kleinen Teilen auch mal frei machen.
Was macht ihr, wenn auf der Party ein Song von einem Künstler läuft, der diskriminierende Texte hat oder vielleicht sogar Menschen missbraucht hat. Geht ihr? Sagt ihr was?
Miriam hat neulich einen Schwesta Ewa-Song aufgelegt. Ich bin gar nicht so in dem Diskurs drin, aber sie wird ja auch von vielen als problematisch angesehen. Wir hatten dann ein Awareness-Team, die kamen auf uns zu und meinten: Hey, nicht so cool, es gab einige Beschwerden. Auch wenn es sich im ersten Moment erstmal doof anfühlt, ist das ja eigentlich eine dankbare Reaktion, weil man dann ja auch merkt, was das mit Menschen macht. Es ist so ein gemeinsames Lernen und ein gemeinsamer Prozess glaube ich.
Habt ihr das Gefühl, dass sich generell in der Deutschrap-Szene etwas tut?
Ich glaube, viele Leute tragen genau diesen Widerspruch in sich. Dieses: Ich bin Feminist*in aber auch Rap-Fan. Die Frage: wie kann ich das mögen aber eigentlich hinter etwas ganz anderem stehen? Das ist ein ähnliches Ding wie: Ich bin eine Feministin - wie kann ich da eine Hotpants tragen? Es sind auf den ersten Blick blöde Widersprüche aber ich glaube man kann lernen, damit umzugehen. Und das wollen wir versuchen zu schaffen.
Sendung: Plus Eins, 16.03.2019 - ab 14.00 Uhr