Gesetz gegen Konversionstherapie Vor "Homoheilung" müssen alle geschützt werden
Gesundheitsminister Jens Spahn will durch einen Gesetzesentwurf verbieten, dass Homosexuelle per Therapie heterosexuell gemacht werden dürfen. Der Entwurf klingt erstmal gut, lässt aber zu viele Hintertüren offen. Ein Kommentar.
Die Meldung klingt so gut: "Konversionstherapien sollen bei unter 18-Jährigen untersagt werden." Gesundheitsminister Jens Spahn hat den Gesetzesentwurf dazu vorgelegt. Behandlungen, die versuchen die sexuelle Orientierung zu ändern, sollen verboten werden. Es soll nicht einmal mehr Werbung für solche Pseudotherapien gemacht werden dürfen. Und alle denken so: geil, endlich ist dieser Homoheilungs-Schwachsinn abgeschafft. Alle sind in Proseccolaune.
Das Gesetz blendet euch
Halt Leute! In dem Entwurf steht nichts davon, dass diese Therapien allgemein verboten werden. Es heißt nur, dass sie nicht mehr an unter 18-Jährigen durchgeführt werden dürfen. Im Gesetz gibt es nämlich einige Ausnahmen und Einschränkungen. Wer älter als 18 Jahre ist, darf zum Beispiel weiterhin eine Konversionstherapie machen, wenn er oder sie es freiwillig macht. Aber wie will man denn nachweisen, dass jemand nicht doch zu einer Therapie gezwungen wurde und nur vorgibt das freiwillig zu machen?
Dazu ein Gedankenspiel: Wer von euch würde sich freiwillig die Haare ausreißen lassen? Oder am Arm ein Stück Haut verbrennen lassen? Genau: niemand.
Wenn man euch jetzt aber rund um die Uhr sagen würde, dass sich all eure Probleme, im Job, mit euren Freunden, mit eurer Familie für immer lösen lassen, indem ihr euch nur mal schnell ein Büschel Haare ausreißt und euch dann kurz das Feuerzeug an den Arm haltet. Wenn ihr richtig verzweifelt wärt, würdet ihr diesen Scheiß wahrscheinlich freiwillig mitmachen. Ihr habt ja die Hoffnung, dass danach alles besser wird. Tja und jetzt merkt ihr, wie bescheuert diese Ausnahme ist.
Das Gesetz missachtet die Realität
Der einzige Grund, warum jemand so eine Konversionstherapie machen will, ist doch, dass das Umfeld einem einredet, dass Homo- oder Transsexualität abartig ist. Aber das ist sie nicht! Deswegen sollte man sie auch nicht angeblich heilen dürfen…auch nicht, wenn man über 18 ist. Selbst mit 37 oder wann auch immer gibt´s da nichts zu heilen!
Und dann ist da noch diese zweite, viel krassere Ausnahme: 16- bis 18-Jährige dürfen auch weiterhin behandelt werden, wenn ihnen die Tragweite ihrer Entscheidung klar ist. Geht’s noch?
Die reden da ausgerechnet von dem Alter, in dem man mit der eigenen Sexualität am meisten struggelt und sich von Freunden und Influencern komplett beeinflussen lässt. Ich sehe schon verzweifelte Eltern, die psychologische Gutachten in Auftrag geben lassen, um zu bestätigen, dass sich ihre Kinder der Tragweite einer Konversionstherapie vollkommen klar sind. Einige ultra-konservative Ärzte würden da wahrscheinlich sogar mitmachen und heimlich den Geldbeutel aufmachen.
Spahn gibt sich als LGBT-Retter
Deswegen frage ich mich, wie ausgerechnet der schwule Gesundheitsminister Jens Spahn solche Ausnahmen in seinem Gesetz abnicken kann. Extra zur Veröffentlichung des Entwurfs lässt er sich mit den Worten zitieren: "Ein Verbot ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: Es ist okay, so wie du bist." Ein Satz, wie man ihn auf einen Regenbogen drucken könnte. Ich kaufe ihn Spahn aber nicht ab.
Sollte dieser Entwurf so durchgehen, wären nur unter 16-Jährige vor „Homoheilern“ sicher. Alle anderen könnten weiterhin pseudomäßig geheilt werden. Alle anderen bekommen zwar keine Werbung für Konversionstherapien angezeigt, sie könnten aber trotzdem weiterhin pseudomäßig geheilt werden – von ihrer Homo- oder Transsexualität, die durch den Gesetzentwurf immer noch dasteht wie eine Krankheit. Das ist so gar nicht 2019.
PULS am Vormittag: 5. November ab 10 Uhr.