Gewalt in Partnerschaften Wenn aus Liebe Gewalt wird
Vom Cyber-Mobbing über Vergewaltigung bis hin zum Totschlag: Mindestens 114.000 Frauen haben 2017 Gewalt in der Beziehung erlebt - und das sind nur die offiziellen Fälle. Gerade junge Leute sind sehr oft betroffen.
Gewalt fängt klein an – und manchmal endet sie tödlich. Wie bei der 21-jährigen Larissa aus Innsbruck. Sie wurde 2013 von ihrem damaligen Freund erwürgt und tot in den Fluss geworfen – aus Eifersucht darüber, dass sie mit einem anderen Jungen ein längeres Gespräch hatte. Ihre Schwester Katrin Biber wollte die Tat aufarbeiten und ist mittlerweile als Trauer-Coach tätig.
"Er hat sie dann zu Hause gefragt, ob sie mal was mit ihm gehabt hat. Das hat sie verneint, aber auf eine witzige Form. So war sie halt, sie war immer lustig, hat immer Späßchen gemacht. Und er hat das eben weniger lustig gefunden, ist dann komplett ausgerastet und hat sie erwürgt."
- Katrin Biber, Bloggerin und Trauer-Coach
Larissas damaliger Freund hatte eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die Beziehung hatte erst zwei Monate gedauert. Auch wenn nicht jede Beziehung, in der Gewalt vorkommt, tödlich endet – ein Einzelfall ist Larissas Schicksal leider nicht. Jeden zweiten bis dritten Tag kommt es in Deutschland zu einem gewalttätigen Todesfall in einer Beziehung. Zu 82 Prozent sind die Opfer weiblich.
Insgesamt steigt die Gewaltstatistik für Beziehungen in Deutschland an. Wie kommt es dazu? Und was kann man in Fällen von Gewalt tun?
Auch Stalking oder Drohungen in sozialen Medien sind Gewalt
Gewalt in Beziehungen fängt nicht erst mit der Todesdrohung an. Auch schon die Drohung, Sex-Geheimnisse oder Nacktfotos in den sozialen Medien zu verbreiten, ist – psychische – Gewalt. Die Rapperin Sugar Ray von der Electro-Gruppe The Pom-Poms hat auf Twitter berichtet, wie ihr Freund sie psychisch ausgebeutet hat.
"Nach einer gewissen Zeit hat er mich ziemlich stark kontrolliert. Er war total besessen von seiner Erscheinung und seiner 'Marke' und hat mich für Dinge bestraft, die ich online geteilt habe. Er hatte dieses 'dunkles mysteriöses-Genie'-Ding am Laufen und war genervt, wenn ich zufällig was über uns gepostet habe, das nicht dazu gepasst hat."
Sugar Ray
Auch die Tatsache, dass ihr Freund beim Sex "ziemlich roh und gewalttätig“ war, nahm Sugar Ray zuerst hin – sie wollte die Beziehung nicht gefährden. Doch als ihre Magersucht wegen seiner Kontrolle zu stark wurde, zog sie die Reißleine – und machte Schluss.
kitty i love u so much and I'm so proud of u for talking about ur experiences w this terrible wrestler
— Cat 🌼 (@owlroyaltyy) 5. September 2018
Viele schämen sich, die Gewalt einzugestehen
Schlussmachen: Dieser Schritt ist für viele sehr schwer, das weiß auch Karl Frass von der Opferhilfe-Organisation Weißer Ring. "Viele schämen sich, Hilfe bei Eltern oder Freunden zu holen. Denn als erstes kommen oft Belehrungen: Wie hast du dich auf sowas einlassen können? Wie hast du das machen können?" Genau dieses Fragen sind die falschen. Auch, weil viele die Sache missverstehen: Viele glauben weiterhin an Liebe, auch wenn sie geschlagen werden, sagt Brita Richl vom Würzburger Frauenhaus der AWO.
"Es ist sehr schwer, das so zu sehen, wie es ist: In einer Partnerschaft, in der Gewalt vorherrscht, geht es nicht um Liebe, sondern um Mechanismen von Kontrolle und Macht – und um nichts Anderes."
Brita Richl
Für Brita Richl ist es wichtig, Frauen klarzumachen, dass sie als Opfer keine Schuld an der Gewalt haben – "und dass sie sich dafür auch nicht verantwortlich fühlen müssen. Das andere ist, dass sie wissen müssen: Sie sind damit nicht alleine, es sind so viele Frauen."
Allein 2017 haben 114.000 Frauen Gewalt in ihrer Beziehung erlebt. Und die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey glaubt, die Dunkelziffer könnte fünfmal so hoch sein. Gewalt in Beziehungen existiert in allen Kulturkreisen und in allen Gesellschaftsschichten. Auch der Bildungsgrad spielt keine Rolle. Im Würzburger Frauenhaus kommen auch immer wieder Studentinnen unter, um Schutz vor ihren Partnern zu kriegen und ihr Trauma zu verarbeiten. Gerade die Altersgruppe zwischen 16 und 30 ist stark betroffen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Die Frauenhausleiterin Brita Richl sieht vor allem bei jungen Müttern eine starke Verletzlichkeit, denn wenn das erste Kind kommt, gerät die Beziehung oft in eine Krise. Wenn es davor schon nicht so gut läuft, verstärkt sich der Stress durch ein Kind. Aber auch die sozialen Medien könnten eine Rolle spielen. Die Schwester der getöteten Larissa findet, dort werden narzisstische Neigungen bei Menschen noch verstärkt. Klar ist auch: Soziale Medien machen psychische Gewaltformen wie Mobbing noch einfacher, denn intime Dinge wie Nacktfotos oder Beziehungsgeheimnisse kann man dort viel einfacher verbreiten.
Beratungs-Chats und Frauenhäuser – und im Notfall auch die Polizei
Eine erste Hilfe bieten Hotlines, zum Beispiel das Hilfetelefons – auf 17 Sprachen. Auf der Webseite können Betroffene mit den Beraterinnen auch online chatten.
Oft haben Frauen keine Möglichkeiten, irgendwo außerhalb der gemeinsamen Wohnung Unterschlupf zu finden. Für sie gibt es Schutzräume wie Frauenhäuser, wo sie in der Regel dann auch erstmal eine Bleibe finden – und Unterstützung bei der Verarbeitung ihrer Gewalterfahrung. Und wenn vieles nicht hilft gegen die Bedrohung des Partners, gibt es auch rechtliche Möglichkeiten wie "Näherungsverbote“, die dann auch von der Polizei durchgesetzt werden.
Sendung: Filter 22.11.2018, ab 15 Uhr