3

Netzlexikon H wie Hatespeech

Promis, Randgruppen oder einfach Leute, die anders denken als man selbst: Im Netz wird gerne gehasst. Seit der Flüchtlingkrise scheint Hate Speech aber eine neue zu Qualität bekommen - und ruft so Politik und Justiz auf den Plan.

Von: Anne Hemmes

Stand: 23.09.2015 | Archiv

H wie Hatespeech | Bild: BR

Was ist eigentlich Hate Speech?

Beschimpfungen, Beleidigungen, Drohungen, Rassismus, Hetze, Gewaltaufrufe - das alles fällt unter Hate Speech. Eine genaue Definition gibt es aber nicht, auch weil es unterschiedlich empfunden wird, ob ein Ausdruck oder Satz herabwürdigend ist. Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin, erklärt, dass Hate Speech ein politischer Begriff ist, kein sprachwissenschaftlicher. Und dass er "mehr oder weniger starke Bezüge zu juristischen Tatbeständen hat". In Deutschland ist das zum Beispiel der Fall, wenn man bei einem Kommentar von Volksverhetzung sprechen kann, wenn also jemand zum Hass gegen Teile der Bevölkerung anstachelt. Im Internet wird besonders gerne gehatet - Anonymität sei Dank. Wobei: Mittlerweile posten immer mehr Leute solche Kommentare auch unter ihrem Klarnamen. Vor allem zur Flüchtlingskrise gibt es im Netz viele Kommentare, die rassistisch oder menschenverachtend sind.

Alles klar. Und was kann man dagegen machen?

Natürlich gibt es Sachen, die man sagen darf, weil sie unter die Meinungsfreiheit fallen. Aber was in letzter Zeit so bei Facebook gepostet wurde, hat ganz klar Grenzen überschritten, sogar als das Foto des toten Flüchtlingskinds am Strand in der Türkei um die Welt ging, gab es eine Reihe von hämischen Kommentaren. Viele User haben sich dann gefragt, warum Facebook so etwas nicht löscht. Irgendwann wurde der Druck so groß, dass sich auch Justiziminister Maas eingemischt und mit Facebook getroffen hat.

Was ist bei dem Treffen rausgekommen?

Es soll unter anderem eine sogenannte Task-Force geben, die sich mit Hasskommentaren auf Facebook befasst - und dabei helfen soll, dass Hate Speech schneller gelöscht wird. Bundesjustizminister Maas will sogar, dass das in 24 Stunden geht. Facebook wiederum will diese Gruppe mitfinanzieren.

Netter Plan. Kann das funktionieren?

Das Problem daran: Damit Hate Speech gelöscht wird, müssen solche Kommentare Facebook erst gemeldet werden. Und dann muss geklärt werden, dass sie wirklich gegen geltende Gesetze und/oder die Regeln auf Facebook verstoßen. Denn eigentlich hat Facebook schon Community Regeln, die es nicht erlauben, dass man jemanden beschimpft oder bedroht. Kurzfristig wird diese Task-Force das Problem mit Hate Speech wohl eher nicht in den Griff bekommen, weil das mit dem Löschen doch eine recht bürokratische Angelegenheit ist. Zudem sind wichtige Fragen ungeklärt: Ab wann fällt eine Aussage wirklich unter Hate Speech? Was muss eine streitbare Demokratie aushalten und was nicht? Wo hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen und wie neutral darf oder muss eine Plattform wie Facebook sein? Und nicht zuletzt: Wollen wir all diese Fragen wirklich in die Hände eines privaten Konzerns geben? Die Debatte darüber steht noch ganz am Anfang. Und sie muss geführt werden – und zwar so sachlich wie möglich.

Aber nicht nur Facebook ist das Problem. Woanders wird doch auch gehatet!

Twitter oder Youtube haben ähnliche Probleme, keine Frage. Der Youtuber LeFloid allerdings hat in einem Interview mit Spiegel Online gesagt, dass seiner Meinung nach Facebook "derzeit das schlimmste und verseuchteste Netzwerk" ist, "was rassistisches Gedankengut angeht".

Bevor sich da etwas grundlegend ändert, bleibt einem wohl nicht viel anderes übrig, als solche Kommentare zu ignorieren, zu versuchen, mit Argumenten dagegen zu halten oder die Kommentare zu melden. Insgesamt allerdings scheint die Sensibilität für Hate-Speech zu wachsen: Bei der Kommission für Jugendschutz (KJM) der Landesmedienanstalten laufen schon erste Prüfverfahren zu fremdenfeindlichen Kommentaren und einige Leute sind wegen ihrer rechten Hetze auch schon ganz real abgestraft worden.


3