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Münchens Graffiti-Beauftragter "Zwei Menschenrechte stehen gegeneinander"

Graffiti und Stadtverwaltung: Das passt eigentlich nicht zusammen. Trotzdem hat München jetzt einen Graffiti-Beauftragten. Im Interview erzählt David Kammerer a.k.a. Cemnoz, was er in seinem neuen Job für die Szene erreichen will.

Von: Matthias Hacker

Stand: 19.05.2015 | Archiv

David "Cemnoz" Kammerer | Bild: BR

Letztes Jahr hat die Stadt München einen Sachbearbeiter für Streetart und Graffiti gesucht. Tatsächlich ging die Stelle an jemanden, der wirklich aus der Szene kommt, nämlich an David Kammerer, auch bekannt als Cemnoz. Im Interview hat er uns erzählt, warum es so schwierig ist, die Grenze zwischen illegalem und legalem Sprayen zu ziehen - und auf welcher Seite er jetzt eigentlich in seinem neuen Job steht.

PULS: David, du bist Sachbearbeiter für Streetart und Graffiti in München. Was machst du da?

David Kammerer: Ich bearbeite die Sache, also Graffiti und Streetart. Ich bin dafür da, die Szene mit der Stadtverwaltung zu vernetzen.

München war mal eine Metropole für Urban Art, jetzt will die Stadt es wieder werden. Wieso denn auf einmal?

Weil sie sehen, dass München ein Potenzial hat, das raus will, es aber bisher wenig offizielle Förderung gab. Die Stadt will den Anschluss finden und dann wieder Vorreiter werden.

Und du sollst also für legale Wände sorgen?

Ich sorge für Wände und nehme Anfragen entgegen, wer Wände zur Verfügung stellen kann, und versuche zu vermitteln.

Wie steht es denn im Moment in München um Graffiti?

Es gibt sauviele Aktive, nur sieht man das von außen nicht so. Die Szene wächst und ist auch international. Aber es gibt auch viele Münchner, die rausgehen, um sich woanders zu verwirklichen, weil sie in anderen Städten mehr Chancen und Freiräume sehen.

Und im Vergleich zu anderen Städten in Bayern: Kann man in Bamberg zum Beispiel besser sprayen als in München?

Das weiß ich nicht genau, aber München hat auf jeden Fall zu wenige legale Flächen im Vergleich dazu, wie groß die Szene ist.

Mit den legalen Flächen ist es ja immer so eine Sache. Ihr wollt legale Flächen schaffen - wie schwierig ist es, sich da durchzumanövrieren?

Vom Moralischen her ist es schon schwierig, weil die Grenze zwischen legal und illegal fließend ist und auch auf der Rechtsebene diskutierbar. Es stehen da zwei Menschenrechte gegeneinander. Das eine ist das Recht auf Besitz und Eigentum und das andere das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das ist ein offenes Feld, und da steht Meinung gegen Meinung. Das, was von den Gerichten höher bewertet wird, gewinnt. Wenn es darum geht, einen Nägeli oder einen Banksy wegzumachen, ist das plötzlich was Anderes als ein Pochoir, also ein Stencil, das von XY gesprüht wurde und einfach eine Schmiererei ist.

Du kommst selbst aus der Szene und aus dem halblegalen Bereich. Jetzt bist du aber auf der Seite der Stadt fürs Legale verantwortlich. Auf welcher Seite stehst du?

Ich habe meinen eigenen Standpunkt, aber in der Funktion als Sachbearbeiter ist es die verbreiterte Legalisierung. Die andere Seite spielt ihr Spielchen, und das ist auch richtig so.

Du möchtest also, dass immer mehr Illegales zum Legalen wird?

Nicht unbedingt, das kann sich auch gegenseitig befruchten. Im Moment haben wir die Situation, dass das sogenannte Illegale, ich nenne es wildes Sprühen, auch zunimmt.

Bist du immer noch aktiv?

Ich bin immer noch aktiv, für mein eigenes Seelenheil stelle ich mich ab und zu an legale Flächen und Abrissgelände, um ein bisschen Farbe zu versprühen.

Bild von Mr. Woodland | Bild: Daniel Westermeier zur Bildergalerie mit Informationen Kunst // Mr. Woodland Chaos aus dem Wald

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Was wird denn dein erstes Projekt in dem neuen Job?

Es gibt einen großen Katalog, aus dem ich auswählen kann, auch Nachfragen in den Bezirksausschüssen über Wände. Ich selbst habe ein Steckenpferd, über das rede ich aber erst, wenn es in Sack und Tüten ist.

Ach, komm schon...

Ja, so ist das jetzt bei der Stadt. Es gibt da schon Geheimhaltungsstufen, wie in der illegalen Szene auch.

Und klopfen jetzt schon die Künstler bei dir an und bitten darum, dass ihr Spot als erster legal wird?

Jein. Sie kommen eher mit Nachfragen und Angeboten. Was die Spots angeht, versuche ich, einen Konsens herzustellen und so viele wie möglich zu befrieden.

Wie erreicht man dich, wenn man ein Anliegen hat?

Man findet mich über die Website der Stadt München, ich sitze in der Burgstraße im Kulturreferat.


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