Nora Tschirner zum Film "Embrace" "Frauen sollten keine Angst haben, dass der Wampomat mal rausguckt"
Viele Frauen hassen ihren Körper. Warum eigentlich? fragt die Doku "Embrace". Nora Tschirner hat den Film mitproduziert. Sie erzählt, woher ihrer Meinung nach dieser Druck bei Frauen kommt, schön sein zu müssen.
Etwa 50% aller jungen Mädchen zwischen 5 und 12 Jahren wollen abnehmen. Und ähnlich viele normalgewichtige Frauen denken, sie seien zu fett. Das sind nur zwei von ziemlich vielen erschreckenden Zahlen aus dem australischen Dokumentarfilm "Embrace". Taryn Brumfitt, die Protagonistin, fühlt sich nach der Geburt ihrer Tochter absolut unglücklich mit ihrer Figur. Sie trainiert, ernährt sich super gesund und ist am Ende nur noch unglücklicher. Bis sie sich fragt, welches Vorbild sie eigentlich ihrer Tochter sein möchte. Dann entsteht der Film.
Nora Tschirner hat ihn mitproduziert.
PULS: Warum war dir der Film persönlich so wichtig?
Nora Tschirner: Ich hab das Thema um mich herum einfach viel beobachtet, gerade im Freundeskreis bei Frauen, die ich schon lange kannte. Frauen mit großem Potential, mit schlauen Köpfen und guten Ideen, die dann teilweise mit dem älter werden, aber auch im Zuge der Schwangerschaft Probleme hatten. Plötzlich war das Hauptthema: Oh Gott, wie sieht mein Körper aus? Wie krieg ich den alten Körper zurück? Und der Fokus war vollkommen weg von dem Wunder, das da eigentlich gerade passiert ist. Was mich absolut traurig gemacht hat und übrigens auch wütend, weil man daneben steht und sich denkt: Leute, das kann doch nicht euer Ernst sein!
Aber ich verstehe auch aus meiner Historie heraus, dass man solche Gedanken hat. Deshalb hat mich das damals, als dieser Kickstarter Aufruf von Taryn stattfand, absolut berührt und mir war klar, dass ich das unterstützen wollte. Wir haben uns dann auch thematisch so gut verstanden, dass ich dann einfach als Executive Producer mit eingestiegen bin.
Warum glaubst du, dass so viele Frauen Probleme mit ihrem Körper haben?
Da spielen so viele Faktoren eine Rolle. Da geht’s zum Teil immer noch um ein althergebrachtes Rollenbild – wenn Männer Macht und Geld in die Waagschale geworfen haben, dann haben Frauen Attraktivität und Kinder kriegen mit reingebracht.
Außerdem fehlen uns einfach Vorbilder: Frauen, die ganz normal altern und damit auch glücklich sind – wo man sagt, die ist 85 und kommt super mit sich klar. Das finde ich erstrebenswert.
Aber es geht auch darum, dass wir unsere Kinder, die mit sehr starken eigenen Stimmen auf die Welt kommen, einschränken. Auch wenn wir es gar nicht so richtig merken. Zum Beispiel indem wir sagen: Jetzt iss doch mal auf. Oder wenn wir Mädchen dafür loben, wie niedlich sie sind. Ich glaube, wenn ein Kind mit einem relativ starken Selbstwertgefühl aufwächst, dann ist es auch nicht so anfällig, den Meinungen anderer hinterherzurennen. Es geht gar nicht so sehr um Erziehung – wir müssen Kindern nur ihre starken inneren Stimmen lassen. Die haben ja von allein schon ein gesundes Körpergefühl. Wir müssen aufpassen, dass wir das nicht vermurksen.
Hast du damals als junge MTV Moderatorin auch Probleme mit deinem Körper gehabt oder war das für dich nie eine Frage?
Doch, aber ich hab das erst spät so richtig gemerkt. Wenn du da drinsteckst, hast du ja gar nicht das Gefühl, dass du ein Problem hast. Irgendwann hab ich aber festgestellt, dass ich unentspannt war, wenn ich nicht geschminkt war. Oder dass ich neurotisch war, wenn mein Kleid auf dem roten Teppich nicht richtig gesessen hat.
Eigentlich merkt man’s am besten an einer ständigen Anspannung. Ich wollte halt keine Angriffsfläche bieten. Aber mittlerweile habe ich trainiert, davon wegzukommen und bin auch wirklich ziemlich entspannt. Klar, kann man sich schön anziehen – aber die Frage ist: Macht man das aus einem Ausdruck heraus oder aus einem Aufdruck?
Warum gibt es eigentlich kaum Frauenzeitschriften, die mal über normale Frauen mit normalen Themen schreiben? Wo es nicht ständig um Schönheit und Klamotten geht?
Naja, das ist eine Struktur, die irgendwann immer was mit Bequemlichkeit zu tun hat. Es gibt so’n uraltes Schwarmverhalten, dass keiner in einer funktionierenden Gruppe Verantwortung übernehmen will. Wenn was lange funktioniert hat, dann dauert das erst mal, bis neue Wege gegangen werden.
Da können wir uns alle an die eigene Nase fassen. Wenn es uns nervt, brauchen wir die Zeitschriften ja nicht zu kaufen. Dann glaubst du gar nicht, wie schnell die Zeitschriftenverleger anfangen nach neuen Wegen zu suchen. Und wenn die erste "andere" Zeitschrift dann Erfolg hat, ziehen die restlichen nach.
Du meinst, es gibt noch zu viel Nachfrage nach herkömmlichen Frauenzeitschriften?
Ja, ich habe zum Beispiel auch noch lange solche Zeitschriften gelesen, obwohl es mir dabei längst schon schlecht ging. Man macht das manchmal einfach, weil es alle machen. Dass man mal inne hält und sich fragt, was man da eigentlich tut, passiert ja gar nicht so schnell. Das braucht ne Zeit.
Ich frag mich manchmal, ob es die Nachfrage überhaupt so gibt oder ob die nicht einfach angelernt ist. Und da finde ich den Film "Embrace" wieder toll, weil der einem das so bewusst macht: Will man sich ständig diese "Aliens" angucken oder mal wissen, wie normale Leute leben?
Gibt es etwas, das du jungen Menschen empfehlen möchtest, wenn es um das eigene Körperbewusstsein geht?
Ich denke, ich würde eher den Eltern was empfehlen. Nämlich Entspannung vorzuleben und einen Fokus, der auf Erlebnisse und zwischenmenschliche Beziehungen zielt. Und ganz genau aufzupassen, wie man sich vor Kindern verhält. Das fängt an, wenn die Frau aufm Sofa sitzt und sich ein Kissen auf den Bauch legt, weil sie Angst hat, dass der Wampomat da rausguckt. Oder wenn sie sagt, dass sie kein Dessert mehr nimmt, weil sie auf ihre Figur achtet. Dann besser einfach keins nehmen, ohne drüber zu reden. Kinder beobachten sowas.
Lebt Selbstbewusstsein vor, weg von dem Körperwahn!
Am 11. Mai kommt "Embrace" einmalig in die Kinos, einen Tag später kann man dann auf der Facebookseite des Films live mit Nora Tschriner und Taryn Brumfitt über das Thema diskutieren. Kurz danach soll der Film dann auch auf den gängigen Streaming Portalen laufen.
Sendung: Filter, 28.04.2017, ab 15 Uhr