Randalierende Fans Warum ich den Aufstieg vom 1. FCN nicht ausgelassen feiern konnte
Als glühender Clubfan wollte sich unser Autor die Aufstiegsfeier des 1. FC Nürnberg durch nichts und niemanden vermiesen lassen. Aber dann gab es unschöne Szenen beim letzten Saisonspiel. Ein Kommentar.
Eigentlich sollte das hier ein anderer Text werden. "Warum der Club-Aufstieg so besonders ist“ sollte er heißen. Ich wollte ein Loblied singen auf eine junge Mannschaft, die sich aus dem Abstiegskampf der letzten Saison in ungeahnte Höhen gespielt hat. Über einen Trainer, der mit manchmal fast naiv wirkendem Engagement ein Team geformt hat, das sich nicht aufgibt. Über den Zusammenhalt der Fans, die die Mannschaft in den letzten entscheidenden Spielen bedingungslos unterstützt haben. Und ich wollte wie gestört darüber jubeln, dass mein Herzensverein, der 1. FC Nürnberg, ab diesem Jahr endlich wieder gegen die Großen spielen darf – gegen die Bayern, Schalke, den HSV… ach nein, gegen den nicht. Macht aber nix. Trotzdem alles ganz toll. Nur: Ich kann mich gerade nicht richtig freuen. Weil ich diesen weinenden Jungen nicht mehr aus dem Kopf kriege. Es würde mich nicht wundern, wenn er keinen Bock mehr hätte, jemals wieder ein Fußballstadion zu betreten.
Schock fürs Leben
Irgendwann kurz vor Ende des letzten Saisonspiels wird es im ansonsten friedlichen zweiten Gästeblock plötzlich unruhig. Denn aus irgendeinem Grund sind unter den Düsseldorfer Fans auch zwei Nürnberger. Es kommt zu einer Rangelei. Ein Knäuel aus schätzungsweise zehn Menschen schiebt sich durch die vorderen Reihen: Streithähne der verschiedenen Lager - und Düsseldorfer, die versuchten, die Chaoten auseinander zu halten. Mittendrin: Ein kleiner Junge, vielleicht acht, neun Jahre alt. Er reicht den Männern bis zum Bauch, hat keine Chance sich zu wehren und geht in dem Gedränge praktisch unter.
Schwer gepanzerte Polizei, die sich zur Sicherheit sowieso schon vor dem Gästeblock postiert hat, greift über den Zaun ein. Als das Menschenknäuel den Rand des Gästeblocks erreicht und die beiden Clubfans in den angrenzenden Block flüchten, entkommt endlich auch der kleine Junge. Völlig aufgelöst vergräbt er sich in den Armen seines Vaters. Mein Gott, hat dieser Junge geheult. Sein Vater war dementsprechend wütend, rief irgendwas nach oben in Richtung Clubfans. Ich konnte nicht verstehen was. Doch egal, was es war: Es rechtfertigt niemals, dass Bierbecher nach den beiden geworfen wurden. Es waren zwei oder drei - einer sogar halb voll. Er ist aber zum Glück nur auf dem Boden gelandet.
Traumwelt ade
Ich weiß schon: Die Mehrheit der Leute im Stadion ist friedlich geblieben. Und trotzdem konnte ich mich nicht richtig freuen, als das Spiel zu Ende war und zehntausende Menschen das Spielfeld des Max-Morlock-Stadions fluteten, um den Aufstieg ihres Clubs zu feiern. Ich musste an den Jungen denken, der bestimmt nur noch heim wollte. Und vermutlich sah ich die folgenden Szenen ein wenig durch seine Augen. Die Augen eines Kindes, das ein bisschen aus einer Traumwelt gerissen wurde. Denn die tausenden friedlich feiernden Leute sah ich gar nicht richtig. Sondern die Wenigen, die Ärger machten. Ich sah zu, wie in der Nähe des Ultras-Blocks in der Menge einige Böller explodierten und schwer gepanzerte Polizei mit Hundestaffel Nürnberger und Düsseldorfer Ultras voneinander trennen musste, damit diese nicht aufeinander losgingen. Ich sah zu, wie einige Leute das Regendach der Ersatzspielerbänke zum Dancefloor machten, bis es nachgab. Ein Mann musste verletzt ins Krankenhaus. Als ich mich endlich auch aufs Spielfeld traute, war der Spuk – inklusive Party - eigentlich schon vorbei.
Die Gesänge, die Dankesreden, alles hatte irgendwie einen bitteren Beigeschmack. Ich ging von der Aufstiegsfeier mit dem Gefühl nach Hause, dass hirnlose Randale niemals aufhören wird - egal ob bei einer größtenteils friedlichen Aufstiegsfeier wie der vom 1. FCN oder bei jedem anderen Spiel in der ersten, zweiten oder sonstigen Liga. Und an alle, die sagen, "ein paar Idioten gibt’s halt immer": Ja, die gibt’s immer. Aber eben nicht nur die, die sich vermummen, prügeln wollen und Bengalos auf Ordnungskräfte werfen. Sondern auch ganz normale Leute, die sich zwar nicht vermummen, aber denken, sobald sie im Stadion sind, könnten sie sich so ziemlich alles erlauben.
Und jetzt?
Seit meinem letzten Stadionbesuch frage ich mich: Wie vernünftig werden Erwachsene sein, die als Kind gelernt haben, dass gegnerische Fans blöde Arschlöcher sein können, die auf Kinder keine Rücksicht nehmen? Die nach der Aufstiegsfeier wie selbstverständlich Bruchstücke der völlig zerstörten Ersatzspielerbank als Trophäe mit nach Hause nehmen durften? Ich wette, in zehn Jahren bewerfen die mich dann mit Bierbechern. Mindestens.
Auch wenn ich weiß, dass Fußball die pure Emotion ist und es oft nicht so einfach ist, sich zu zügeln: Ich für meinen Teil werde beim nächsten Stadionbesuch wenigstens versuchen, den Schiri nicht so wüst zu beschimpfen. Denn ich wette, das hat jeder von uns schon mal getan, auch wenn es nicht unbedingt sein muss. Zumindest nicht bei meiner Wortwahl, verf**** Sch***.
Sendung: Filter, 14.05.2018, ab 15 Uhr