21

Nach den Landtagswahlen Das Zittern nach dem Erdbeben

Drei Landtagswahlen, dreimal heißt der große Gewinner Alternative für Deutschland. Unsere Autorin hat den politischen Thriller am Sonntag verfolgt. Und fragt sich immer noch: Was zur Hölle ist da passiert?

Von: Laura Goudkamp

Stand: 14.03.2016 | Archiv

Die AfD schafft bei den Landtagswahlen 2016 den Einzug in drei Landtage | Bild: BR/Fesl

Das Gefühl am Montagmorgen nach dem Aufwachen fühlt sich an wie ein Kater. Der Kopf pocht, mir ist übel, ich bin zittrig. Selten hat ein Abend vor dem Fernseher solche Nachwirkungen bei mir hinterlassen. Die Sondersendung zu den Landtagswahlen – ein politischer Krimi im Vorabendprogramm. Tatort: Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Opfer: die politische Vernunft. Hauptverdächtige: bisherige Nichtwähler und Protestwähler.

Mit zweistelliger Prozentzahl ist die Alternative für Deutschland in alle drei Landtage eingezogen. Die Ergebnisse fühlen sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Warum? Sicher nicht, weil ich denke, dass die bisherigen Koalitionen alles richtig gemacht haben, sondern weil ich die Parteiprogramme der AfD gelesen habe. Die AfD will die Uhren zurückdrehen: Zurück zum traditionellen Familienbild,  keine Frauenquoten oder Frauenbeauftragten, keine Anglizismen, kein Bologna, kein Schengen.

Ich frage mich kurz, ob die vielen Wähler auch das Wahlprogramm gelesen haben und sich gedacht haben: Jawohl, ich möchte bitte zurück in die 50er-Jahre. Wohl kaum. Der Moderator im Fernsehen erklärt mir, die Wahl der AfD war eine Protestwahl, ein politischer Denkzettel für die etablierten Parteien. Protestwähler also, die sonst eine andere Partei wählen. Was mich neben den hohen Gewinnen für die AfD erschreckt, sind auch die hohen Verluste für die Volksparteien – allen voran für die Sozialdemokraten.

AfD-Erfolgsrezept: Protest, Enttäuschung und Flüchtlingsproblematik

Protest ist gut und ein demokratisches Recht, aber: Warum wähle ich eine Partei, die keine Lösung für das Problem hat, wegen dem ich unzufrieden bin, sondern die im Zweifel alles noch viel schlimmer macht? Nochmal zur Erinnerung: Die AfD will die Grenzen schließen und notfalls auf Flüchtlinge schießen lassen! Ein Schließen der Grenzen ist für mich der Abgesang des europäischen Projekts, Forderungen notfalls an der Grenze zu schießen ein Bruch mit der Verfassung. An der Flüchtlingskrise ändern wird es hingegen sicherlich nichts.

Generation Why?!

Was mir an dem Wahlabend dann wirklich den Rest gibt, sind die Wählerprofile der AfD. Ich sehe alte Herren mit kreisrundem Haarausfall in konservativen Tweedsakkos vor mir, aber nein. In allen drei Ländern wählen die unter 30-Jährigen etwa genauso oft die AfD wie ältere Wählergruppen, unabhängig vom Bildungsstand übrigens. Meine Generation, die Millennials, unterstützen die AfD also auch – und das verstehe ich einfach nicht. Wenn ich überlege, wie sehr wir von den Vorteilen der EU profitieren, wie selbstverständlich unser Wunsch nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist, wie weit wir gereist und wie gut wir (aus)gebildet sind – müssten wir es nicht besser wissen, meine liebe Generation Why?!

Nach der Sondersendung zu den Landtagswahlen mit ihren Hiobsbotschaften geht es im ZDF weiter mit Inga Lindström und einer heilen Welt. In so einer Welt wäre ich heute früh auch gerne aufgewacht, in einer Welt ohne AfD…


21