Mahnaktion für Flüchtlinge Für fünf Minuten eingesperrt im Schlepper-LKW
Wie sich Flucht anfühlt? Eine Aktion in Bochum hat das Freiwillige spüren lassen. Sie wurden mit 70 anderen in einen LKW gepfercht. Auch unser Reporter Sebastian Auer hat sich einschließen lassen.
Grausam, elendig, unvorstellbar. Die Reaktionen auf 71 Flüchtlinge, die vergangene Woche in einem Kühllastwagen auf der österreichischen Autobahn erstickt sind, waren einstimmig. Aber so unvorstellbar muss das Schicksal der Flüchtlinge gar nicht sein. Zusammen mit Künstlern vom Schauspielhaus Bochum hat Spediteur Gerard Graf die Fluchtbedingungen mit einer Aktion am Dienstag erlebbar gemacht.
Sechs Meter lang, zweieinhalb Meter breit - in seinem Fuhrpark hat Spediteur Graf viele LKWs, die baugleich mit dem der toten Flüchtlinge sind. Eigentlich transportiert er damit täglich Waren, am Dienstagabend stellte er einen der Wagen auf den Platz vor dem Bochumer Schauspielhaus. Wer den Mut hatte, konnte sich wie unser Reporter Sebastian Auer zusammen mit 70 anderen Menschen einsperren lassen.
"Ich stand relativ weit hinten in der Ladefläche. Da war es schon ziemlich dunkel, obwohl vorne an der Laderampe die Tür noch gar nicht zu war. Ab dem Moment dauerte es dann nur ganz wenige Augenblicke bis es sehr warm wurde. Du fingst an zu schwitzen und es wurde richtig, richtig stickig."
Sebastian Auer
Mit ihm zusammen haben sich 200 Interessierte die Aktion angesehen, schätzt Sebastian. Auch Vanessa wollte die Fluchtbedingungen besser verstehen. Im Laster war ihr war vor allem die Nähe zu fremden Menschen unangenehm: "Das war sehr beängstigend, dass man mit so vielen fremden Menschen auf so engstem Raum ist. Man hört sie, man fühlt sie, man spürt sie, man riecht sie..."
Nach fünf Minuten öffneten sich die Türen wieder, die während der Aktion eigentlich nie vollständig geschlossen wurden. Für Sebastian Auer reichte aber schon das: "Ich muss ehrlich sagen, ich hätte nicht gedacht, dass die Luft in so einem LKW so schnell verbraucht ist. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie Menschen auf ihrer Flucht da stundenlang drin sind."
Die provokante Aktion löste im Vorfeld einige Proteste aus. Den Vorwurf der Pitetätlosigkeit der Performance kann Sebastian Auer im Nachhinein aber nicht verstehen.
"Der Veranstalter hat die richtigen Worte gefunden. Auf dem Platz lagen auch Rosen ausgebreitet, die nochmal an die Opfer vor einer Woche erinnerten. Es war auf jeden Fall eine richtig krasse Aktion. Aber so etwas braucht es vielleicht auch einfach, damit man realisiert, was da eigentlich jeden Tag passiert und wie groß die Not ist."
Sebastian Auer
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