Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung Wie die CSU die Zahl der Drogentoten in Bayern senken will
Heile Welt Bayern? Von wegen. Unter den Flächenbundesländern gibt es hier die meisten Drogentoten. Die CSU will das Problem mit einem Gegenmittel für Heroinkonsumenten lösen. Experten ist das zu wenig.
Wenn es um die Bekämpfung von illegalen Drogen geht, dann gibt es in Bayern vor allem eine Denkrichtung: mehr Polizei – und eine harte Linie gegen Rauschmittel. Der aktuelle Drogen- und Suchtbericht zeigt allerdings, dass diese Politik offenbar nicht mehr reicht.
321 Tote gibt es in Bayern, das ist etwa ein Viertel aller Drogentoten in ganz Deutschland. Die meisten sterben an Heroin, einer Droge, die quasi sofort abhängig macht. Klingt aussichtslos. Aber die CSU hat einen Vorschlag, um das Problem anzugehen.
Hilfe für Heroinabhängige
Helfen soll Naloxon. Das Mittel wirkt bei einer hohen Dosis Heroin wie ein Gegengift und kann zum Beispiel einen Atemstillstand stoppen. Bis jetzt dürfen nur Ärzte Naloxon spritzen. Die CSU im bayerischen Landtag will jetzt aber, dass Heroinabhängige das Mittel als Nasenspray bekommen – und es dann an ihre Familienmitglieder oder ihre Suchtberater weitergeben. Die können das Naloxon dann im Notfall einsetzen – und so das Leben der Abhängigen retten.
"Wenn das Naloxon mit der Nasenschleimhaut in Berührung kommt, tut es sofort seine Wirkung. Und das kann, wenn sich jemand den goldenen Schuss gesetzt hat, Leben retten."
Bernhard Seidenath, Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises für Gesundheit und Pflege
Das Ganze soll erst einmal getestet werden – ein Versuch, an dem ab nächstem Jahr 400 Abhängige teilnehmen sollen. Unis sollen gleichzeitig untersuchen, wie gut es funktioniert.
SPD und Grüne finden: Das reicht nicht
Grundsätzlich haben SPD, Grüne und auch Sozialarbeiter nichts gegen solche Maßnahmen. Sie sagen, dass sie schon seit Jahren Naloxon für Angehörige fordern. Schließlich können die oft am schnellsten eingreifen. Das Nasenspray, das noch nicht in Deutschland zugelassen ist, hat auch einen anderen Vorteil: Es ist nicht so stark dosiert wie die Naloxon-Spritzen. Und damit ist auch der schmerzhafte Entzugs-Effekt für die Abhängigen nicht so krass wie bisher.
"Naloxon für Familienmitglieder oder Streetworker in der Umgebung ist eine der möglichen Antworten auf die enorme Zahl der Drogentoten. Die Staatsregierung ist mit ihrer repressiven Drogenpolitik unter Druck geraten."
Bertram Wehner, Drogenhilfe Mudra, Nürnberg
Experten wollen Konsumräume
Aber den Experten und der Opposition geht der Vorschlag der CSU nicht weit genug. Sie fordern, dass endlich auch in Bayern Drogenkonsumräume erlaubt werden. Denn hier könnten Heroinabhängige sich ihre Spritzen in einer kontrollierten und sauberen Umgebung setzen. Vor allem mit sauberen Spritzen, die nicht schon von anderen Junkies benutzt wurden. Dadurch kann verhindert werden, dass sich der AIDS-Virus HIV in der Szene ausbreitet. Außerdem arbeiten in Drogenkonsumräumen Leute, die erkennen, wenn ein Abhängiger sich zu viel gespritzt hat – und dann den Notarzt rufen können. Doch das lehnt die CSU weiterhin ab.
Polizei als Präventionsmittel – umstritten
Die Konservativen finden, die Polizei ist weiterhin das richtige Mittel, um Drogen zu bekämpfen. Sie bleiben bei der Null-Toleranz-Politik.
"Wenn wir nicht diese harte Linie fahren und ein Auge zudrücken würden, dann würden viel mehr Menschen es einmal ausprobieren: ‚Ach, ist ja nicht so wild, kannst ja mal machen, läufst ja nicht Gefahr.‘ Ich glaube, dass das ein viel größerer Anreiz wäre, diese illegale Droge einmal auszuprobieren."
Bernhard Seidenath, Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises für Gesundheit und Pflege
Die Opposition dagegen findet: Gerade weil Bayern den Drogenkonsum so stark kriminalisiert, würden sich Abhängige aus Angst vor Bestrafung keine Hilfe suchen. Die Todesstatistik im Null-Toleranz-Bundesland Bayern gibt den Kritikern recht.
NRW steht besser da
In Nordrhein-Westfalen, einem Bundesland mit deutlich mehr Einwohnern als in Bayern und einer weniger krassen Drogenfahndung, gab es 204 Tote. Das sind zwar immer noch erschreckend viele, aber weit weniger als in Bayern. Möglicherweise liegt der Unterschied auch daran, dass es in NRW zehn Konsumräume gibt, in denen sich Junkies ihren Schuss unter Aufsicht setzen können.
Sendung: Filter vom 23.08.2017 ab 15 Uhr