Medizinisches Cannabis Warum Münchens Oberbürgermeister jetzt Hanf anbauen will
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter setzt sich dafür ein, dass die Stadt selber Cannabis anbaut. Also... medizinisches. Damit will er Lieferschwierigkeiten bekämpfen und verhindern, dass sich Patienten den Stoff beim Dealer besorgen.
Saftiges Grün, Blätter mit den typischen sieben "Fingern" und dieser süßliche Geruch in der Luft: Bisher rückte bei bayerischen Cannabis-Plantagen immer die Polizei an - in München könnte sich das bald ändern. Denn nach dem Willen von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) soll die Stadt in Zukunft selbst zum größten Dealer des Freistaats werden. Zumindest für Patienten, die medizinisches Cannabis brauchen. Wir beantworten die fünf wichtigsten Fragen dazu.
Darf die Stadt München das überhaupt?
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland seit März 2017 erlaubt. Natürlich nur auf Rezept, bei Schwerkranken zahlt aber sogar die Krankenkasse. Die Droge kann nicht nur high machen, sondern hilft teilweise gegen Übelkeit, lindert Schmerzen oder Muskelkrämpfe und regt den Appetit an. Ärzte verschreiben sie HIV-Patienten oder Krebskranken, die eine Chemotherapie machen. Teilweise aber auch Menschen mit ADHS oder psychisch Kranken, die am Tourette-Syndrom leiden.
Deswegen darf Cannabis trotzdem nicht jeder anbauen. Dafür sorgt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die sich um den Import von medizinischem Cannabis und dessen Anbau in Deutschland kümmern. Aber bei der deutschen Bürokratie wundert es keinen, dass wir zumindest auf letzteres noch warten müssen. Die erste Ausschreibung, die legale Gras-Anbauer finden sollte, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im März 2018 aufgehoben. Grund: Die gesetzten Fristen der Cannabisagentur waren nicht lang genug für einen fairen Wettbewerb. Inzwischen läuft die zweite Ausschreibung und viele Patienten müssen weiter schauen, wo sie ihren Stoff herkriegen. Denn legales Cannabis aus Deutschland soll es frühestens 2020 geben.
Wie kommt OB Dieter Reiter auf die Idee, dass München selbst anbaut?
Zugegeben war es nicht seine Idee. Der Vorstoß geht zurück auf eine Petition der Münchner Ortsgruppe des Deutschen Hanfverbands. "Sehr viele Patienten kommen zu uns, die unter den Lieferengpässen für medizinisches Cannabis leiden", sagt Micha Greif vom DHV. Viele kämen nicht an die verschriebenen Medikamente und die Versorgung dieser Patienten müsse sichergestellt werden.
Eine Petition der Ortsgruppe erreichte zwar nur knapp 1.400 Unterstützer, der Oberbürgermeister zeigte sich bei der Petitionsübergabe vergangene Woche trotzdem offen und sagte: "Meine Fraktion hat auf meine Bitte einen Antrag gestellt, um zu prüfen, ob wir das nicht selber anbauen können." Die Stadt habe durchaus die Flächen und die Kapazitäten, das zu realisieren.
Wieso ist das Gras so knapp?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen steigt nicht nur in Deutschland der Bedarf an Cannabis. "Weltweit entdecken immer mehr Menschen und Länder die Nutzungsmöglichkeiten und Potentiale von Cannabis als Medizin. Deswegen wird es auch immer öfter verschrieben", sagt Micha Greif. Die Produzenten kämen bisher einfach nicht hinterher und der Anbau in Deutschland lässt wie gesagt auf sich warten.
Darüber hinaus befürchtet der Deutsche Hanfverband, dass Deutschlands einzige Hanflieferanten, Kanada und die Niederlande, auch wegfallen könnten. Nach einer UN-Vereinbarung von 1961 darf Cannabis nur aus Ländern importiert werden, die diese nicht als Genussmittel anbieten. Während Kanada das Kiffen im letzten Jahr legalisiert hat, wird dieses in den Niederlanden in Coffee-Shops zumindest geduldet. Bislang gibt es aber keine Anzeichen, dass der Import nicht weiterlaufen wird.
Um welche Cannabis-Sorten geht es?
Entgegen anderer Medienberichte geht es laut DHV um alle Cannabis-Sorten, die unter medizinischem Cannabis eingestuft werden. Dazu gehören sowohl Sorten, die einen reichen CBD-Gehalt haben – also vor allem für die Entspannung des Körpers sorgen – als auch THC-lastiges Cannabis, welches für den Rausch und das High-Gefühl sorgt.
Insgesamt über 30 Hanf-Sorten sind in deutschen Apotheken zugelassen. "Davon sind aktuell aber nur drei bis sechs Sorten verfügbar", sagt Micha Greif. Mit dem möglichen Anbau der Stadt München sollten im besten Fall alle Sorten oder zumindest Wirkungsbereiche abgedeckt werden.
Schafft es der Vorschlag denn überhaupt durch den Stadtrat?
Das scheint im Moment gar nicht so unwahrscheinlich. Die Stadt prüft jetzt erstmal, ob der eigene Anbau rechtlich überhaupt möglich ist. Dafür braucht es die Erlaubnis vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Sollte es die geben, läge es am Stadtrat. Micha Greif hat schon mit verschiedenen Parteien gesprochen: "Wir haben bisher positive Signale von SPD, Grünen, Linken und der FDP. Wenn die alle zustimmen, dann haben wir die Mehrheit sicher."
Bleibt noch die Frage nach der CSU, von der hat auch der DHV bisher keine Rückmeldung. Micha Greif ist aber optimistisch. Schließlich hat auch die CSU damals für die Legalisierung von medizinischem Cannabis gestimmt. Vielleicht passiert es also wirklich, dass die Stadt München bald zum größten Dealer Bayerns aufsteigt. Und damit vor allem einigen schwerkranken Menschen hilft.
Sendung: Filter, 16.01.2019 - ab 15.00 Uhr