Das Game "RIOT – Civil Unrest“ im Test Bei Unruhen gibt es nur Verlierer
Die meisten Spiele funktionieren klar nach dem Motto Gut gegen Böse. Die Protest-Simulation "RIOT – Civil Unrest“ lässt die Frage offen: Wer hat Recht – Demonstranten oder Polizisten?
Die Sonne geht gerade auf über dem Susatal in Norditalien, als die Polizei vorrückt. Die Demonstranten erwachen am Morgen des 27. Juni 2011, weil ihre Freunde sie mit Feuerwerksraketen vorwarnen. Also stellen sie sich den bewaffneten Polizisten entgegen, singen, halten Schilder in die Höhe. In dieser ersten Mission im Game "RIOT – Civil Unrest“ genügt der friedliche Protest. Nach viereinhalb Minuten zieht sich die Polizei zurück. Die Bilanz: Zwei Zelte haben dran glauben müssen, 15 Demonstranten wurden leicht verletzt. Doch das ist erst der Anfang.
Schnell eskaliert die Situation
RIOT ist eine Echtzeit-Aufruhr-Simulation. Der Spieler koordiniert wahlweise entweder eine Gruppe von Demonstranten oder eine Polizeieinheit, die die Proteste zerschlagen soll. Thema sind echte Protestbewegungen der jüngeren Geschichte auf der ganzen Welt, zum Beispiel der Arabische Frühling, Occupy oder auch die No-TAV-Bewegung in Norditalien. TAV, das steht für ein Schienennetz für Schnellzüge, das die italienische Regierung bauen will. Seit den Neunzigern kämpfen tausende Italiener gegen die Kosten und die Umweltschäden durch TAV. Entwickler Leonard Menchiari hat die teils blutigen Proteste hautnah miterlebt und seine Eindrücke im Game RIOT verarbeitet.
Zeitlich bewegt sich RIOT rund um die Weltwirtschaftskrise 2007. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer, viele Verlierer der Globalisierung protestieren auf der Straße. RIOT soll beide Seiten der Proteste abbilden: Wie fühlen sich eigentlich die gepanzerten, aber zahlenmäßig unterlegenen Polizisten? Und wie schaukeln sich die Massen der Demonstranten gegenseitig hoch?
Die Steuerung ist umständlich und reagiert nur schwerfällig
Gerade dieses gegenseitige Hochschaukeln zeigt RIOT besonders krass. Im Spiel stürmen die Demonstranten einige Monate später eine Baustelle. Da geht’s dann schon weniger friedlich zur Sache. Damit sie den Block durchbrechen können, schmeißen sie Molotov-Cocktails auf die Polizisten. Richtig heftig wird es aber, als die Demonstranten ein Stück Autobahn besetzen. Ohne jede Gnade stürmt die Polizei den Abschnitt - mit Baggern, Wasserwerfern, Schlagstöcken. 55 Aufrührer und fünf Polizisten sterben. Die Zeitung, in die der Spieler nach jeder Mission einen Blick werfen kann, berichtet von einem Blutbad und Chaos.
Spielerisch gibt RIOT leider nicht besonders viel her. Die Steuerung ist sehr umständlich und überhaupt nicht intuitiv. Die Gruppen von Demonstranten und Polizisten reagieren nur schwerfällig auf Befehle. Als Spieler hat man oft das Gefühl, dass es purer Zufall ist, ob die Demonstranten gerade durch den Block brechen oder nicht. Fairerweise muss man dazu sagen: RIOT ist noch nicht ganz fertig und bei Steam nur im Early Access erhältlich.
RIOT regt zum Nachdenken an
Doch irgendwie ist RIOT mit seinem pixeligen Retro-Look trotzdem charmant. Die Grafik verleiht den Kontrahenten Anonymität. Die Situationen eskalieren wahnsinnig schnell. Da kümmert es irgendwann kaum noch, wenn ein Polizist einen Demonstranten zu Pixelmatsch verarbeitet. Auch wenn der Spieler eine Mission erfolgreich abschließen kann, macht das Spiel schnell deutlich, dass es eigentlich nur Verlierer gibt.
Protest ist wichtig, aber die Konflikte friedlich zu lösen verdammt schwierig. Noch schwerer ist es am Ende zu sagen, wer im Recht und wer im Unrecht ist. Beim Spielstart weisen die Entwickler sogar darauf hin, dass es ihrer Meinung nach unmöglich ist, eine völlig neutrale Sicht auf die Dinge zu haben. Und fordern auf: Informiert euch! Obgleich RIOT spielerisch kein Meisterwerk ist, regt es zumindest zum Nachdenken an. Genau das Richtige für 2018.
RIOT im Ludologischen Quartett
Ein handwerklich gar nicht mal so gut gemachtes Game, das gesellschaftlich unglaublich brisant ist: RIOT ist ein Spiel, das für Dikussionen sorgt - auch im Ludologischen Quartett. Und das diskutiert nicht unbedingt zimperlich. Moderator Christian Schiffer fragt: "Wo kann ich eine Demo gegen 'RIOT – Civil Unrest' anmelden?!" Es wird also so heiß hergehen wie im Hamburger Kessel. Oder so.
"Das Ludologische Quartett": Ein nerdiger und emotionaler Talk, der all das thematisiert, was Gamer bewegt: Indie- und Mainstreamspiele, Debatten und Kontroversen, Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart eines der beliebtesten Hobbys unserer Zeit. "Das Ludologische Quartett" – leidenschaftlich, humorvoll, klug, unterhaltsam.
Am 24. April live bei twitch ab 23 Uhr und danach in der BR Mediathek.
Sendung: Filter, 26.04.2018 ab 15 Uhr