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Der lange Weg der beruflichen Integration von Flüchtlingen Vom Arzt zum Wachmann?

Wie funktioniert die berufliche Integration eines Flüchtlings hierzulande? Drei Jahre lang hat Julia Smilga einen aus Syrien geflüchteten Arzt begleitet. Und findet dabei viele Parallelen zu ihrer eigenen Flüchtlingsgeschichte.

Von: Julia Smilga

Stand: 11.12.2016 | Archiv

Hinweisschild auf Dienstweg Zugang nur für Befugte | Bild: picture-alliance/dpa

"Während ich am Bahnhof München auf meine Aufnahme bei der Polizei wartete, sagte ich mir: Deutschland ist ein gutes Land mit der stärksten Wirtschaft in Europa und hat sehr gute Medizin. Gott hat für mich die beste Möglichkeit ausgesucht."

Bassam Alabaid

Als die Journalistin Julia Smilga Bassam Alabaid  im Februar 2014 kennen lernt, zieht er gerade in die Geretsrieder Asylbewerberunterkunft ein. Sie freut sich, dass sie sich mit einem syrischen Flüchtling ausführlich unterhalten kann - in ihrer Muttersprache. Denn Bassam kann gut russisch, er hat in der Ukraine Medizin studiert, ist hoch motiviert und möchte spätestens in einem Jahr in Deutschland am OP-Tisch stehen.

"Deutschland hat ein gutes System: Nach dem Kurs der allgemeinen Medizin kann man das Studium weitermachen und arbeiten und das will ich machen. Deswegen will ich so schnell Deutsch lernen, damit ich schnell Arbeit finde."

Bassam Alabaid

Bassam Alabaid

Zu optimistisch? Immerhin, Deutschland nennt sich heute ein Einwanderungsland. Das war anders vor 20 Jahren, als Julia Smilga mit ihrer Familie nach Deutschland kam - als jüdische Kontingentflüchtlinge. Heute gibt es ein Anerkennungsgesetz für ausländische Abschlüsse. Damals, 1997, wurde das Deutschlehrerdiplom ihrer Mutter nicht einmal zur Anerkennung angenommen. Ihre Ausbildung blieb hier wertlos. Die Folge: Sozialhilfe. Und das war kein Einzelfall. Von den 200 000 jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion blieben in Deutschland etwa 40 Prozent arbeitslos. Unter ihnen waren auffallend viele Akademiker.

Ringen um die Anerkennung des Studiums

Berufliche Integration von Flüchtlingen Vom Arzt zum Wachmann

Innerhalb eines Jahres lernt Bassam Alabaid gut Deutsch, muss aber auch viel kämpfen. Zuerst um einen B2 Sprachkurs, ohne den er hier nicht als Arzt arbeiten darf. Mitte 2015 dann beginnt ein Ringen um die Anerkennung seines Medizinstudiums. Was ist sein ukrainisches Diplom hier wert? Welche Schritte sind notwendig, um zu einer deutschen Berufserlaubnis zu kommen? Die Informationen der Approbationsstelle der Regierung von Oberbayern sind kompliziert und verklausuliert.

"Ich bekomme einen Termin, ich erkläre meine Situation und sie sagen: ok, du kannst bei uns ein Praktikum machen, aber du brauchst eine Berufserlaubnis. Und dann ich gehe zur Regierung von Oberbayern und sie sagen, du brauchst ein Praktikum, dann bekommst du eine Berufserlaubnis."

Bassam Alabaid

Ohne ein zwölfmonatiges Praktikum an einem Krankenhaus oder in einer Praxis gilt Bassam Alabaids Medizinstudium in Deutschland als nicht abgeschlossen. Die deutschen Krankenhäuser und Praxen haben aber keine solche Stellen. Ein Jahr lang wird er von Pontius zu Pilatus geschickt und muss sich in der Zeit mit einem Security-Job über Wasser halten.

Bei all den Treffen mit Bassam Alabaid in den letzten drei Jahren, bei den  Interviews mit Experten im Medizinischen Recht, den Anfragen bei der Regierung von Oberbayern oder beim Schriftverkehr mit dem zuständigen Jobcenter, musste Julia Smilga immer wieder feststellen: Seit dem gescheiterten Versuch ihrer Mutter, vor 20 Jahren ihren Abschluss anerkennen zu lassen, scheint sich bei der beruflichen Integration von Zuwanderern nicht viel getan zu haben.


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