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14.2. Lailatu l'Bara'a Nacht der Vergebung

In der Lailatu l-Bara'a, der Nacht der Vergebung, sei Gott besonders barmherzig, glauben viele Muslime.

Stand: 08.01.2025 | Archiv

Mondlicht über einem See | Bild: picture alliance / Zoonar | Martin Köbsch

Die Nacht der Vergebung, Lailatu l-Bara'a auf Arabisch oder Beraat Kandili auf Türkisch, wird zwischen der 14. und 15. Nacht des islamischen Monats Schaban begangen. Mit der Nacht der Vergebung beginnt eine Zeit der religiösen Besinnung. Sie ist zugleich der Vorbote des Fastenmonats Ramadan, der zwei Wochen später einsetzt. In dieser Nacht soll der Prophet Mohammed seinen Anhängern eine wichtige Mitteilung gemacht haben: Die Taten aller Menschen würden von den Engeln Gottes aufgezeichnet.

In Berufung auf diese Überlieferung glauben Muslime, dass jeder Mensch von zwei Engeln begleitet werde. Von einem, der auf seiner rechten Schulter sitze, um alle guten Taten aufzuschreiben, und von einem anderen auf der linken Schulter, der die schlechten Taten notiere. Der Engel zur Linken lasse sich allerdings Zeit, denn der Islam lehrt, wenn ein Mensch eine Tat vor Gott bereue und zum Ausgleich Gutes tue, sich beispielsweise entschuldige, einen Geldbetrag spende, bete oder den Koran lese, werde die schlechte Tat nicht notiert.

Die Nacht der Rechenschaft

Für Reue bietet die Lailatu l-Bara'a Gelegenheit, denn in dieser Nacht soll Gott besonders barmherzig sein. Die Gläubigen versammeln sich in den Moscheen oder an anderen Örtlichkeiten, um gemeinsam zu beten, den Koran zu rezitieren und ihre Sünden zu bereuen. 

Die Reue findet allerdings im Stillen statt, denn anders als das Christentum, kennt der Islam keinen Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Jeder Mensch begleicht sein persönliches Schuldenkonto allein mit Gott. Doch das ist nur im Hinblick auf kleinere Verfehlungen möglich, etwa das Versäumnis der Gebete oder das Unterlassen des Fastens. Diebstahl oder Mord würden nach der Überlieferung nicht so einfach von Gott verziehen. Zunächst müsse sich der Sünder selbst beim Betroffenen entschuldigen, nur dann könne er auch vor Gott auf Vergebung hoffen. In der Lailatu l-Bara'a wird die Abrechnung über alle guten und schlechten Taten des vergangenen Jahres vorgenommen. Auch sie zählt zu den fünf heiligen Nächten des Islam.

Heilige Nacht? Unter Muslimen umstritten

Die Definition dieser Nacht als heilig ist unter sunnitischen Gläubigen allerdings umstritten. Manche setzten die Nacht mit der im Koran (Sure 44.3) beschriebenen "gesegneten Nacht" gleich. Andere behaupten, dass die Lailatu l-Bara'a im Koran nicht direkt erwähnt sei. Alle Muslime sind sich aber einig, dass der Prophet Mohammed persönlich auf die besondere Bedeutung dieser Nacht hingewiesen habe. Für schiitische Muslime ist sie sogar ein besonderer Feiertag, denn in derselben Nacht wurde 200 Jahre später der Urenkel Mohammeds, der Imam Mahdi geboren. In der Islamischen Republik Iran ist der 15. des Monats Schaban daher ein gesetzlicher Feiertag.

Doch die Nacht der Vergebung hat auch für viele arabische Länder und für die Türkei eine große Bedeutung. In der Türkei gehört sie zu den sogenannten "Kandil- Nächten" ("Kandil" bedeutet im Arabischen "Öllampe"). Deren Bezeichnung leitet sich von der Festbeleuchtung der Moscheen ab, die der osmanische Sultan Selim II. im 16. Jahrhundert einführte.

Zur Beraat Kandili, wie die Nacht der Vergebung in der Türkei heißt, werden in Bäckereien und Konditoreien kleine Teigkringel dargeboten, die bunt verpackt sind, die sogenannten "Kandil Simit". Die Gläubigen verzehren sie nachts oder bringen die Süßigkeiten nach Erfüllung aller religiösen Pflichten zum traditionellen Familienbesuch am nächsten Tag mit. Unter Nachbarn und Freunden ist es üblich, "Helva", eine Süßspeise mit Gries, zu verteilen.


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