BR24 - Das interkulturelle Magazin


3

Podcast, Lesung und Musik Grenzenlose Vielfalt

Podcast "Einwanderungsland" // "Das zweite Leben des Adolf Eichmann" von Ariel Magnus // "Dystopianern" von Ira Blazejewska //

Von: Roswitha Buchner

Stand: 12.01.2024

Podcast "Einwanderungsland"

Um die sogenannten Pullfaktoren, wie etwa Sozialleistungen, die angeblich den Zuzug nach Deutschland begünstigen, geht es im Podcast “Einwanderungsland”, den der Mediendienst Integration im neuen Jahr gestartet hat. Soll Deutschland Sozialleistungen für Geflüchtete kürzen, um deren Zuzug einzudämmen?, fragt Reporter Carsten Wolf den Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher, der als Experte auch die Vereinten Nationen berät.

"Wenn wir Deutschland immer unattraktiver für Zuwanderung machen wollen, dann werden kaum weniger gering qualifizierte Wirtschaftsflüchtlinge kommen, aber es werden deutlich weniger hochqualifizierte Menschen kommen, also letztendlich schaden wir damit uns selbst am allermeisten."

Marcel Fratscher

Für Professor Marcel Fratzscher ist die Pullfaktor-Debatte billiger Populismus. Mithilfe von Fachleuten aus Wissenschaft und Gesellschaft erklärt jede Podcast-Folge in rund 20 Minuten Fakten und Hintergründe zu den Themen Flucht, Migration und Integration. Den Podcast “Einwanderungsland“ kann man auf allen gängigen Streaming-Plattformen und der Website des Mediendienstes Integration hören. Dort kann man sein Wissen auch über die Shownotes und umfangreiche Dossiers vertiefen.

"Das zweite Leben des Adolf Eichmann" von Ariel Magnus

"Sassen hat mir viel von Ihnen erzählt, sagte Gregor in vorwurfsvollen, ja anwiderten Ton, er sagt, sie seien der letzte Zeuge, der uns noch gegen die Verleumdungen der Sieger bleibt. Sie sind auch da, Herr Doktor, sagte Klement und wusste dabei selbst nicht, ob das schmeichelnd oder anklagend gemeint war."

Aus 'Das zweite Leben des Adolf Eichmann' von Ariel Magnus

Ob sich das Gespräch zwischen Adolf Eichmann, der sich in Argentinien Ricardo Klement nannte und Helmuth Gregor alias Josef Mengele im Restaurant "Zur Eiche" in Buenos Aires tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen hat, ist nicht belegt. Dass sich dort aber zahlreiche SS-Angehörige und NSDAP-Funktionäre, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Südamerika geflüchtet waren, zum gemütlichen Plausch trafen, hingegen schon, sagt Ariel Magnus. Der 1975 in Argentinien geborene jüdischstämmige Autor und Enkel einer Holocaust-Überlebenden hat sich intensiv mit den Schriften von und über Adolf Eichmann beschäftigt. Was er vor allem herausfinden wollte:

"Wie fühlt sich jemand, der die Welt beherrschen wollte, der so viele Menschen in den Tod geschickt hat und plötzlich ist er am Arsch der Welt und muss Kaninchen züchten. Er fühlt absolut nicht, dass er etwas wirklich falsch gemacht hat, nur dass er seine Arbeit nicht zu Ende gebracht hat."

Ariel Magnus

Mit teils bitterböser Ironie führt Ariel Magnus seine Leser ins Innere des unbelehrbaren Nazis Adolf Eichmann mit seiner menschenverachtenden Ideologie. Am 21. Januar um 11:30 Uhr liest Ariel Magnus aus seinem Roman "Das zweite Leben des Adolf Eichmann" auf Deutsch und auf Spanisch in der Nürnberger Villa Leon. Mit Adolf Eichmann und seiner Ergreifung in Argentinien durch den Mossad beschäftigt sich auch die multimediale Ausstellung "How to catch a Nazi" im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München, die noch bis 30. April 2024 zu sehen ist.

"Dystopianern" von Ira Blazejewska

Rechtsextreme Tendenzen in der heutigen Gesellschaft greift auch die Münchner Künstlerin und Musikerin Ira Blazejewska in ihrem neuen Musikalbum "Dystopianern" auf. Die Sammlung der darin enthaltenen Songs, die sie selbst als das erste akustische Chanson Cabaret bezeichnet, kann man erleben wie einen Film.

"Es geht darin um eine vielfältige Gesellschaft. Deren dystopischer Schauplatz ist ein entgrenzter Kapitalismus und zunehmende faschistische Bewegungen. Musikalisch treffen Musiken aus unterschiedlichen Zeiten aufeinander, das Chanson wird in die Jetzt-Zeit transportiert, also textlich und auch durch die musikalischen Mittel, die sich ganz frei und eklektisch unterschiedlichster Elemente bedienen."

Ira Blazejewska

Das reicht von experimentellen Anklängen an die Musik von Kurt Weill über Strawinsky Zitate bis hin zur Neuen Deutschen Welle, Elektro und Hiphop. Für Ira Blazejewska, die sich auch in den künstlerischen Genres des Theaters und der Malerei bewegt, ist das "Dystopianern"-Album:

"Ein Zustand, eine Erkenntnis und eine politische Haltung. Dystopianern meint, du akzeptierst in Dystopia angekommen zu sein, und fängst an neue Dinge zu denken und bestenfalls ins Handeln zu kommen."

Ira Blazejewska

Neben ihrer politischen Haltung, haben auch ihre vielfältigen kulturellen Wurzeln ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst.

"Also großmütterlicherseits, die Mutter meiner Mutter, komm ich aus einer belgischen Sippe von Barden und Minnesängern, über die es schon seit dem frühen 13. Jahrhundert Zeugnisse gibt, und auf der väterlichen Seite ist es noch komplizierter, weil ich mit einem polnischen Stiefvater aufgewachsen bin, der ein Survivor war und mein richtiger Vater war ein Ingusche, das ist ein muslimisches Reitervolk."

Ira Blazejewska

Mehr zu Ira Blazejewskas faszinierender Familiengeschichte und ihrem künstlerischen Wirken, kann man am 17. Januar in der Reihe "Dies Das" im Habibi Kiosk der Münchner Kammerspiele im Gespräch mit dem Kulturschaffenden Tuncay Acar erfahren. Das Release-Konzert zum "Dystopianern" Album findet am 25. Januar im Münchner Import Export statt.


3