Hörbuch der Woche "Der kleine Fotograf" von Daphne Du Maurier
Die meisten ihrer Romane lässt die 1907 in London geborene Daphne Du Maurier in Cornwall spielen, wo sie den Großteil ihres Lebens verbachte. Berühmt wurde sie durch ihren 1938 erschienen Roman »Rebecca«, der von Alfred Hitchcock verfilmt wurde und "Die Vögel". 1952 erschien ihre Novelle "Der kleine Fotograf" der nun bei „Der Audio Verlag“ als gekürzte Lesung erschienen ist. Für Kristina Dumas ist "Der kleine Fotograf" das Hörbuch der Woche.
"Immer dasselbe, ständig seine Arbeit, das Gut, die Ländereien, diese Wälder, Eduard betete sie zwar an, hatte aber keine Zeit für sie. Man hatte sie vor der Hochzeit gewarnt, dass es so kommen würde. Wie wenig sie das bekümmerte, denn was konnte ihr das Leben Besseres bringen als einen Marquis? Was konnte bezaubernder sein als diese Güter, das Schloss, das Palais in Paris? Für ein Mädchen wie sie, die als Tochter eines viel beschäftigten Arztes und einer kränkelnden Mutter aufgewachsen war, erschien es als eine Märchenwelt."
Zitat aus Hörbuch
Die schöne Marquise langweilt sich. Mit ihren beiden Kindern verbringt sie den Sommer allein an der englischen Küste, die Tage vergehen ereignislos, bis sie den schüchternen Fotografen Paul kennenlernt. Die junge Frau engagiert ihn als Porträtisten und lässt sich von ihm in die Landschaftsfotografie einführen. Eine Affäre beginnt.
"Plötzlich sah die Marquise oben im Farnkraut etwas aufblitzen, es war die Linse einer Kamera, sie tat, als hätte sie nichts bemerkt, drehte sich um und nahm an ihrer eigenen Kamera hantierend die Haltung ein, als wolle sie fotografieren. Sie knipste einmal, dann noch einmal und hörte dann, dass sich ihr jemand durch das raschelnde Farnkraut näherte. Sie drehte sich um und tat überrascht: 'Ach Monsieur Paul'. Diesmal trug er weder die schlecht sitzende Jacke, noch das grellblaue Hemd. Auch der graue verbeulte Hut, den sie im Hotel bemängelte hatte. fehlte, nur das dichte schwarze Haar umrahmte sein Gesicht."
Zitat aus Hörbuch
Die britische Schriftstellerin Daphne du Maurier ist eine Meisterin der romantisch-schauerlichen Erzählung. Ihre Werke "Rebecca" und "Die Vögel" wurden von Alfred Hitchcock verfilmt und zu großen Erfolgen.
In "Der kleine Fotograf" arbeitet die Autorin unaufgeregt die dunkle Seite ihrer Hauptfigur heraus. Was als gemächliche und unscheinbare Erzählung beginnt, entwickelt einen spannenden, unheilvollen Sog.
"Heute ließ der Fotograf sie nach dem Schäferstündchen nicht allein, sondern blieb neben ihr im Farnkraut sitzen. 'Ich habe über die Zukunft nachgedacht“ erwiderte er schnell. 'Erzählen sie mir davon'. 'Meine Schwester wird sich um den Laden kümmern, erwiderte er, ich werde ihn ihr vermachen und ich werde Ihnen folgen, egal wohin Sie gehen“. Der Marquise stockte der Atem, ihr blieb beinahe das Herz stehen. 'Wovon wolle sie leben?"
Zitat aus Hörbuch
"Ich habe keinen Stolz, ich weiß, dass sie mir was zukommen lassen, meine Bedürfnisse sind sehr gering. Ich weiß nur, dass ich ohne sie nicht mehr leben kann, das einzige was mir bleibt, ist ihnen zu folgen, ständig."
Zitat aus Hörbuch
Monsieur Paul, der unsichere Fotograf, wirkt entschlossen. Und die Marquise, die es vor allem liebte, von ihm angehimmelt zu werden und die privaten Shootings genossen hat, befindet sich in einer Falle. Die kurze Affäre wird ihr Leben auf den Kopf stellen und böse Folgen nach sich ziehen.
Daphné du Maurier beschreibt in "Der kleine Fotograf", wie komplex Macht sein kann und welche Tragödien aus Machtmissbrauch resultieren. Die Autorin moralisiert jedoch nicht, überlässt dem Publikum ein Urteil.
Die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Schauspielerin Imogen Kogge ist die ideale Besetzung für diese tragische Geschichte. Ihre Stimme wirkt beinahe "zeitlos".
Die klare visuelle Beschreibung, die geradezu "fotografische Sprache" des Textes wird mit ihrem warmen Ton, der feinen und nuancierten Interpretation zu einem Hörerlebnis. Geschickt verbindet sich die prägende Erzählstimme mit den direkten Dialogen.
"Der kleine Fotograf" von Daphne du Maurier ist in der Reihe „Große Werke, große Stimmen“ bei Der Audio Verlag erschienen