DokThema Bayerns Nichtwähler · Vergessen, verbittert, abgeschrieben?
Mittwoch, 04.10.2023
22:25
bis 23:10 Uhr
- Untertitel
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BR Fernsehen
Deutschland
2023
Mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten gingen bei der letzten Landtagswahl in Bayern nicht wählen – darunter überproportional viele junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Das heißt: Bei der letzten Landtagswahl war eigentlich nicht die CSU die stärkste Kraft in Bayern, es war die fiktive Partei der Nichtwähler. Auch wenn die Beteiligung bei der Landtagswahl zuletzt zugenommen hatte, sehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Trend zum Nichtwählen und sagen bereits jetzt voraus: In Zukunft wird die Wahlbeteiligung sinken. Denn vielen Bürgerinnen und Bürgern – egal mit welchem Bildungsstand – fehlen das politische Wissen und der Bezug zur Politik. Ein wichtiger Weg aus der Nichtwahlkrise: junge Erstwähler. Denn wer einmal wählen geht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder wählen gehen. Doch können Politikerinnen und Politiker junge Menschen überhaupt noch erreichen?
Einer, der das versucht, ist der 77-jährige Landtagsabgeordnete und Vizepräsident des Bayerischen Landtags Wolfgang Heubisch (FDP). Mit 3,5 Millionen Likes ist er einer der erfolgreichsten deutschen Politiker auf TikTok. Seine Kurzvideos werden tausendfach geklickt. Wie schafft der 77-Jährige das, was viele andere nicht schaffen? Doch die Social-Media-Plattform TikTok birgt auch Schattenseiten: Denn auf der bei jungen Menschen besonders beliebten Plattform sind kurze Botschaften besonders erfolgreich – und die haben vor allem die Populisten.
Die CSU versucht auf TikTok mit einem zu punkten: Markus Söder. Bayerns Ministerpräsident ist das Gesicht der Partei auf den Social-Media-Kanälen. Das funktioniert – hilft aber den vielen Kandidatinnen und Kandidaten der Christsozialen im ganzen Freistaat nur bedingt. Sie sind meist klassisch unterwegs, gehen von Haustür zu Haustür oder stehen an Wahlkampfständen auf Marktplätzen. Während auf TikTok innerhalb von Minuten zehntausende junge Menschen erreicht werden können, trifft CSU-Kandidat Thorsten Freudenberger im Landkreis Neu-Ulm an einem Nachmittag nur ein paar Dutzend.
Besonders niedrig war die Beteiligung bei der letzten Landtagswahl in der Stadt Schweinfurt. Stefan Rottmann von der SPD will dort nun genug Stimmen für seinen Einzug ins Maximilianeum gewinnen. Anders als bei seiner Wahl zum Bürgermeister in der unterfränkischen Gemeinde Schonungen vor einigen Jahren muss er sich in Schweinfurt auf unbekanntes Terrain begeben. Die SPD ist historisch schwach und über viele Jahre ging der Wahlkreis an einen CSU-Kandidaten. Seine Strategie: ein möglichst unpolitischer Wahlkampf. Auf Stadtfesten und Kirchweihen wolle er seine potenziellen Wähler treffen, sie dort aber auch nicht mit zu viel Politik langweilen, sagt Rottmann. Seine SPD-Parteizugehörigkeit will er dabei möglichst wenig erwähnen. Kann man damit Erst- und Nichtwähler an die Urnen bringen?
Die Wahlbeteiligung an der Werner-Ziegler-Mittelschule im schwäbischen Senden wird deutlich höher ausfallen als im Oktober im gesamten Freistaat – denn die Wahl dort ist keine echte. Kurz vor der Landtagswahl simuliert die Schule eine Juniorwahl, um Schülerinnen und Schüler ans Wählen heranzuführen. Einer der seltenen Kontakte der Schüler mit Politik. Denn: Nirgends wird so wenig Politik an Realschulen unterrichtet wie in Bayern. Auch Bayerns Gymnasien landen seit Jahren im Ländervergleich auf den hinteren Plätzen. Experten fordern schon lange mehr politische Bildung an Schulen.
Redaktion:
Philipp Grüll
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