BR Fernsehen Von Schneemücken und Schnurfüßern
Auf dem Weg in die Dunkelheit: Forscher sind in der oberbayerischen Wendelsteinhöhle den Geheimnissen der Unterwelt auf der Spur.
Genauer gesagt: den tierischen Bewohnern tief im Inneren des Berges. Zwischen den Felsen kommen seltsame Kreaturen zum Vorschein: Laufmilben etwa oder Höhlenflohkrebse und Schnurfüßer.
Die Insekten sind winzig, meist nur mikroskopisch klein. Es sind Relikte aus der Eiszeit, die in den Höhlen wie in einer Zeitkapsel überlebt haben.
Um Anzahl und Vielfalt der Tiere zu erforschen, haben Experten vom Verband deutscher Höhlen und Karstforscher spezielle Fallen aufgestellt. Die Funde werden dann zur Auswertung in Speziallabore geschickt.
"Wir machen im Prinzip eine Bestandsaufnahme der Höhlentiere in den bayerischen Alpen. Wir können später dann bei solchen Ereignissen wie Klimawandel eine Aussage treffen, indem man nämlich diese Eiszeitrelikte, die hier vorkommen, beobachtet und feststellt: Was passiert denn mit denen, wenn sich die Temperatur in den Höhlen erhöht?"
Stefan Zaenker, Höhlenforscher
In den bayerischen Alpen haben die Forscher erstmals sieben große Hohlräume zoologisch untersucht, im Chiemgau ebenso wie im Berchtesgadener Land und eben auch auf dem Wendelstein: dort liegt die Höhle rund 1700 Metern hoch.
Die Ergebnisse sollen in eine Datenbank für Höhlentiere einfließen. Denn bisher sind die meisten Höhlen "terra incognita", was ihre Bewohner betrifft. Innerhalb eines Jahres haben die Spezialisten rund 13.000 wirbellose Tiere und 200 unterschiedlichen Arten gefunden. Und das Erstaunliche: in den unterirdischen Biotopen werden die Tierchen oft doppelt so alt wie ihre Verwandten draußen, da ihr Stoffwechsel stark verlangsamt ist.
"Wir haben sogar endemische Arten gefunden; das sind Arten, die nur auf einem kleinen, begrenzen Raum auf der Welt vorkommen. Wir haben mehrere Erstnachweise für den deutschen Alpenraum gemacht, etwa Schneemücke, die hier in der Wendelsteinhöhle gefunden wurde aber bisher nur im Bayerischen Wald und dem Fichtelgebirge."
Stefan Zaenker, Höhlenforscher
Auch Exemplare von Zwergspinnen und Scheufliegen konnten die Forscher erstmals in Deutschland feststellen. Die Höhlenforscher entdeckten im Inneren des Wendelsteins noch weitere Bewohner, die sich an das Leben im Dunklen gewöhnt haben: Fledermäuse. In der kalten Jahreszeit halten sie Winterschlaf.
Was die Experten überrascht hat: die erstaunlich hohe Zahl unterschiedlicher Fledermausarten:
"Elf Arten von 18 oder 19 Arten, die in Bayern bekannt sind, sind hier nachgewiesen, teilweise nur durch Knochenfunde, was insofern erstaunlich ist, weil die Höhle ja 1700 Meter hoch liegt. Also, dass sich die Viecher das antun, so hoch auf einen Berg zu fliegen."
Peter Hofmann, Höhlenexperte
Die Ruheräume der Fledermäuse sind abgesperrt und für Besucher nicht zugänglich. Ein großer Teil der Höhle aber ist für die Öffentlichkeit erschlossenen und hier kann man selbst einmal Forscher sein: wenn man genau hinsieht, erkennt man vielleicht den einen oder anderen Höhlenbewohner, der sich an die unwirtliche Umgebung im Dunkeln angepasst hat – in einer Welt, die noch viele Geheimnisse birgt, denn die Erforschung der "Unterwelt" steht noch ganz am Anfang…