BR-München Die Gesundbeterin im Allgäu
Das Allgäu verzaubert, mit seiner Landschaft, mit seiner Geschichte und: mit tief verankertem Volksglauben.
Anneliese Hoch lebt im oberschwäbischen Bad Waldsee. Man nennt sie eine Gesundbeterin, sie soll Schmerzen lindern und Warzen verschwinden lassen – nur durch spirituelle Kraft. An den beiden Freitagen nach Vollmond, also zur Sterbezeit Christi, ist ihre Sprechstunde.
Drei Kerzen für die Dreifaltigkeit, geweihtes Stroh, und ein Ordner voller Spruchformeln. Warum ausgerechnet sie diese Gabe hat, weiß sie nicht.
"Ich hab’s insofern gemerkt, ich hab’s einfach bei uns daheim im Stall probiert, bei den Kühe, wenn die an den Eutern eine Warze gehabt haben, oder wenn ein Kälbchen mal eine Flechte gehabt hat, oder in der Familie, wenn eines von den Kindern von der Verwandtschaft eine Warze gehabt hat, dann hat man’s probiert und dann hast du‘s Erfolgserlebnis."
Anneliese Hoch
Wieso ist gerade diese ländliche Region so voll mit wundergläubigen Menschen und Traditionen, mit magischen Geschichten und Orten, zum Beispiel dieser 600 Jahre alten Linde: Wer hier durchschlüpft, konnte seine Krankheit abstreifen, so dachte man.
"Das Allgäu ist ja sehr zersiedelt in Einzelhöfe. Das heißt, da sind dann irgendwo in diesen abgelegenen Höfen Bräuche lebendig geblieben, die vielleicht in den Städten längst verloren gegangen sind. Darum ist das Allgäu auch heute noch ein Rückzugsgebiet von alten Vorstellungen auch in Bezug auf Magie."
Ein Heimatforscher
Eine mystische Welt, wo die Grenzen zwischen Aberglauben und Glauben verschwimmen, ein kultureller Schatz an Sagen und Objekten. Wie dem Schreddele-Stoi, dessen Loch böse Nachtgeister vertreiben soll. Jahrzehntelang sammelte der Heimatforscher die magischen Sprüche - wie hier gegen Brandwunden:
"Die liebe Mutter Gottes geht übers Land,
trag ein Brand in der Hand,
Brand schlag aus, Brand schlag nimmer ein.
Es ist eine magische Formel, wo zwar kirchliches drinsteckt, aber trotzdem halt ein Zauber damit ausgeübt wird."
Der Heimatforscher
Man hat sich eben gerne doppelt abgesichert. So blühte mit der religiösen Heilkunst immer auch das Okkulte, mit der weißen auch die schwarze Magie.
"Dass man also mit Gebeten und Formeln jemandem schaden kann, dass man jemandem den Stall verhexen kann, den Kühen die Milch abstellen kann oder dass man jemandem das Wasser abstellt, das heißt er kann nicht mehr urinieren."
Der Heimatforscher
Vodoo-Rituale in den Alpen? Allgäu-Schamanismus? Oder alles nur esoterischer Hokuspokus? Mit schwarzer Magie hat Anneliese Hoch jedenfalls nichts am Hut. Ihr Wartezimmer hat sich mittlerweile gefüllt. Viele waren schon öfter hier.
"Beim Großen waren‘s wirklich Stechwarzen am Fuß, die wirklich weggegangen sind, wo mir der Hautarzt gesagt hat, ich muss es operativ entfernen lassen. Bei ihr war‘s genauso, die Dellwarzen und wir sind um eine OP rumgekommen."
Eine Kundin
Die Behandlung kostet nichts, nur innere Überzeugung und Vertrauen muss man mitbringen. Kommen darf jeder, selbst die, die das Vaterunser nicht können.
"Im Endeffekt ist der Herrgott alles, ob evangelischer oder ein katholischer oder ein Moslem ist, oder was das ist."
Anneliese Hoch
Hauptsache das Ergebnis stimmt. Im Allgäu kann der Glaube anscheinend noch Berge versetzen, oder zumindest Warzen.