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Bayern erleben | Doku Daheim in ... Bad Neualbenreuth

Vom Rand der Welt in die Mitte Europas: die Wirtschaft wächst, die Gastronomie blüht auf, die Besucherzahlen steigen und neues Leben keimt. Viele junge Bad Neualbenreuther kehren wieder in ihre alte Heimat zurück - zu ihren Wurzeln, zu Zoigl, Karpfen und Blasmusik. Im Gepäck: viele neue Ideen. Die Geschichte eines Dorfes in der nördlichen Oberpfalz, das sich neu erfindet.

Stand: 29.08.2023 11:22 Uhr | Archiv

Geografische Lage und Geschichte haben Bad Neualbenreuth in der nördlichen Oberpfalz nicht gerade verwöhnt. 40 Jahre war das Stiftland, die Region um Waldsassen, Zonenrandgebiet, von den tschechischen Nachbarn durch den Eisernen Vorhang getrennt. Die Böden karg, die Äcker steinig - nicht umsonst der Beiname 'Stoapfalz' - das hat Mensch und Landschaft geprägt.

Doch ein Menschenschlag, der über Generationen die Feldsteine von den Äckern geklaubt hat, der lernt das Anpacken und Nichtaufgeben. Auf das Oberpfälzer Understatement sollte man nicht hereinfallen. Hinter der scheinbar spröden Fassade verbirgt sich oft ein unprätentiöses, nicht marktschreierisches Selbstbewusstsein mit dem Blick nach vorne und Neuem gegenüber aufgeschlossen. Dazu eine tiefe Liebe zum Wald, zur Oberpfälzer Heimat und Mentalität.

Daheim in ...

Landflucht, Leerstand, Wirtshaussterben ... Hiobsbotschaften aus dem ländlichen Raum gibt es genug. Immer stärker macht sich aber auch eine Gegenbewegung bemerkbar: Menschen, die "Heimat" nicht nur als vordergründige Folklore begreifen, sondern als Wurzel und feste Grundlage ihres Lebens. Immer mehr junge Leute kehren nach Jahren in der Großstadt oder im Ausland in ihre Heimatdörfer zurück, weil sie spüren, dass sie da "daheim" sind.
"Daheim in ..." stellt Gemeinden in Bayern und ihre Bewohner vor, die anpacken, die die Gratwanderung bewältigen zwischen der notwendigen Modernisierung und dem Bewahren des Bewährten und Althergebrachten.

Erst Flop, dann top: das Sibyllenbad mit jährlich über 100.000 Übernachtungsgästen als jüngstes Kurbad Bayerns.

In den letzten Jahren haben sich die Vorzeichen umgekehrt: es geht bergauf, das Sibyllenbad beherbergt immer mehr Kurgäste und die dunklen Wälder rund um den Tillenberg ziehen immer mehr Touristen an. Viele junge Bad Neualbenreuther kehren wieder zurück oder wollen erst gar nicht mehr fort. So wie Lilly Melzer.

Man spricht "Alwareitisch"

Lilly Melzer spricht Englisch, Spanisch, Französisch und eine besondere Form des Oberpfälzischen: 'Alwareitisch'. Um das zu erlernen muss man vermutlich zweisprachig aufwachsen, so wie sie. Weg von daheim wollte sie nie. Sie studiert auf Grundschullehramt in Regensburg, ihr Dialekt ist Thema ihrer Bachelorarbeit. Ihre pädagogische Ausbildung und ihr Sprachtalent kommen syrischen und ukrainischen Flüchtlingen zugute, die sie ehrenamtlich unterrichtet.

Neualbenreuth - Heimatliebe auf den zweiten Blick

Über Stationen in Passau, Halle, Berlin und Weiden ist er nun wieder daheim - samt Firma. Für Marco Härtl gab es eine Zeit, da wollte er einfach nur weg. Jetzt als etablierter Werbefilmproduzent mit 14 Angestellten hat er im alten Pfarrhof, direkt neben seinem Geburtshaus, eine neue 'coole Location' gefunden. Was er da draußen vermisst hat? Den Wald, die Wärme und die Authenzität der Oberpfälzer. Allzu großer Sentimentalität gibt er sich aber nicht hin: "Ein Business aufzubauen, das ist immer ein steiniger Weg" - egal wo". Aber davon haben die Oberpfälzer eine Ahnung.

Sibyllenbad - Erfolgsgeschichte im zweiten Anlauf

Albert Köstler ist ein vielbeschäftigter Pensionär: Er ist Altbürgermeister, Hobbyhistoriker, Fremdenführer, Fischzüchter, Völkerverständiger; er hat die unüberwindbare Grenze und deren Fall erlebt genauso wie den Niedergang des Sibyllenbads und dessen Auferstehung. Die hat er allerdings maßgeblich mitgestaltet.
Und dann ist da noch sein Interesse für die egrisch-waldsassische "Fraisch", aber das ist ein anderes Thema. Die wechselvolle Geschichte seines Heimatortes lässt Albert Köstler nicht los und berührt ihn bis heute.

"Ich würde mir wünschen, dass sich die jungen Leute, die Kinder, über den Stein, über die Grenze hinweg die Hände reichen können. Das habe ich 1985 gesagt als der Gedenkstein auf dem Tillenberg aufgestellt wurde. Und fünf Jahre später war es dann tatsächlich so weit ..."

sagt Albert Köstler nicht ohne Emotion.

Schokolade in Kanada, Karpfen in Neualbenreuth

Vom Anpacken kann auch Juliane Schnurrer erzählen. Nach Jahren in Österreich und Kanada ist sie nach dem Tod ihres Vaters nach Bad Neualbenreuth zurückgekehrt und hat den Familiengasthof in Hardeck, einem Ortsteil von Bad Neualbenreuth, übernommen. Auch sie hat die Sehnsucht nach den Wäldern, den weitläufigen Hügeln, nach dem "Land der 1000 Teiche" nie losgelassen - auch wenn sie als junge Frau zuerst einmal 'raus' musste.


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