Der Berg als Freizeitpark Wie viel Tourismus verträgt das Allgäu?
Er gilt als der "Wächter des Allgäus", der Grünten. Jetzt spaltet ein Bauvorhaben die Einheimischen: 10er-Gondel, moderne Schneianlagen und Erlebnisalpe – finanziert auch mithilfe staatlicher Subventionen. Für die einen dringend notwendig, um nicht von der Konkurrenz abgehängt zu werden, für die anderen der falsche Weg in Zeiten von Overtourism und Klimawandel.
Anja Hagenauer und ihr Bruder Michael haben während ihrer ersten Lift-Saison in Rettenberggenug Grund zu zittern: Wird der heimische Lift, den sie aufgekauft und wiedereröffnet haben, auch angenommen? Oder wird der heftige Protest einer Bürgerinitiative ihre Pläne, die alten Lifte zu modernisieren, durchkreuzen? Über 20 Millionen Euro möchte die Familie Hagenauer investieren und eine sogenannte Erlebnisalpe schaffen. Möglich macht das die Seilbahnförderung der bayerischen Staatsregierung. Bis zu 30 Prozent der Kosten wollen sie damit abdecken.
Ganz zum Ärger von Norbert Zeberle. Er hält das Bauvorhaben schlicht für überdimensioniert. Denn statt einer bloßen Modernisierung handelt es sich seiner Meinung nach um eine Kapazitätserweiterung, die am überschaubaren Grünten fehl am Platz ist. Seit 20 Jahren ist er der Wirt am Grünten. Doch dies wird voraussichtlich seine letzte Saison sein. Kommt es, wie es sich die Investorenfamilie wünscht, wird die traditionsreiche Hütte bald einer moderneren Gastronomie weichen. Die Bergbahn soll dann ganzjährig in Betrieb sein, neue Zielgruppen sollen erschlossen werden. In seinen Augen das falsche Konzept. Er setzt auf heimische Skitourengeher und plädiert für sanften Tourismus – statt Trubel am Berg.
Der 1.738 Meter hohe Grünten im Allgäu ist zum Symbolberg geworden. An ihm vollzieht sich exemplarisch und im Kleinen, was im Großen derzeit überall in den europäischen Alpen passiert. Förderanträge von über 33 Millionen Euro sind derzeit allein in Bayern gestellt, mehr als je zuvor. Die Grünen sprechen von "staatlich subventioniertem Umweltvandalismus" und fürchten angesichts der Projektflut, dass die Berglandschaft zur "Kunstschneekulisse mit gewaltigen Gondelkapazitäten" verkommt. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hingegen verteidigt die Finanzspritze und ist der Meinung, dass alles andere "touristischer Selbstmord" sei. "DokThema" begleitet Befürworter und Gegner bei ihrem Ringen um ihre touristische Zukunft.