BR Fernsehen - DokThema


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Bedürftige oder organisierte Bande? Bettler aus Rumänien

DokThema folgt einer Bettlerin bis in ihr Heimatdorf. Es stellt sich heraus: die junge Frau ist kein Mitglied einer Bande, sondern eines Roma-Clans. Die Jungen gehen fast alle im Ausland betteln, um ihre Familien zu ernähren, die Alten hüten die Kinder.

Stand: 22.11.2019

Sie kommen gemeinsam, jeder steuert seine Straßenecke an, legt eine Decke über die Beine und harrt aus – in der Hoffnung, dass Passanten Geld in den Pappbecher werfen. Genauso schnell wie sie gekommen sind, verschwinden sie gemeinsam wieder. Wo gehen diese Menschen hin, wer sind sie, steckt organisierte Kriminalität dahinter?

Die Autorin folgt einer Bettlerin in ihr Dorf in Rumänien – und stößt auf bittere Armut und Ausgrenzung. Das Dorf ist Teil der EU – und dennoch ein vergessenes Stück Land, zu dem Journalisten kaum Zutritt haben.

Keine Bande sondern Familie

Schnell stellt sich heraus, wer die junge Frau namens Narcisa tatsächlich ist. Kein Mitglied einer Bande, sondern eines Roma-Clans, der sich mitten im Wald angesiedelt hat. Strom, Kanalisation, Zentralheizung: Fehlanzeige. Auch Jobs gibt es so gut wie keine. Fast alle jungen Erwachsenen gehen regelmäßig ins Ausland um zu betteln. Mit dem Geld ernähren sie ihre Familien. Gemeinsam fahren sie nach Deutschland und unterstützen sich vor Ort. Die Alten bleiben zuhause und hüten die Kinder. Niemand beutet hier aus, nimmt ihnen das erbettelte Geld ab. Aber der Staat scheint sich nicht verantwortlich zu fühlen - und die Not ist groß.

Betteln als einzige Möglichkeit

Narcisas Mann sitzt im Gefängnis, weil er illegal Holz geschlagen hat, sie selbst kann kaum lesen und schreiben, braucht aber Geld, um ihre baufällige Hütte zu renovieren. Die Kinder sollten in die weiterführende Schule, doch der einzige Weg dorthin ist ein Bachbett, das sich bei Regen in einen reißenden Fluss verwandelt. Und so scheint das Betteln im Ausland als die einzige Möglichkeit, sich buchstäblich über Wasser zu halten.

Arm und bildungsfern

Etwa 80 Prozent der Roma leben unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle ihres Landes; jeder dritte Roma hat in seiner Unterkunft kein fließendes Wasser; jedes dritte Roma-Kind lebt in einem Haushalt, in dem im vergangenen Monat jemand hungrig zu Bett gegangen ist. 50 Prozent der Roma im Alter zwischen sechs und 24 Jahren besuchen keine Schule. Die Freizügigkeit innerhalb der EU ermöglicht es Menschen, von Osteuropa nach Deutschland zum Betteln zu kommen. Die Dokumentation zeigt Motive und Hintergründe.


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