Land in Sicht? Kreuzfahrt in der Krise
Schon jetzt sind die Vorbuchungen für Kreuzfahrten enorm hoch. Das macht der Kreuzfahrtindustrie Hoffnung auf ein schnelles Comeback. Geplant ist eine Weiterfahrt schon im August – dann mit Social-Distancing-Plänen, einer geringeren Auslastung, Hygienemaßnahmen und einem Virus-Krisen-Management. Doch sind Passagiere, Länder und Städte dafür schon bereit?
Kapitän Jens Thorn fährt seit 56 Jahren zur See. Ein bis zwei Jahre will er noch machen – eigentlich. Doch statt das Kreuzfahrtschiff MS Amera durch die Weltmeere zu führen, sitzt der Seemann nun in Emden fest. Zusammen mit einer rund hundertköpfigen Rumpfmannschaft hält er das Schiff in Schuss.
Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist der Stopp der Kreuzfahrtindustrie ein zweischneidiges Schwert. Zwar hat sich die CO2-Emission durch den Stopp drastisch reduziert, doch die Verbesserung ist nicht nachhaltig. Das Problem – der Schadstoffausstoß durch die Luft belastet die Städte, in denen die Schiffe gerade liegen.
Auf der anderen Seite könnte die Krise zu einer Marktbereinigung führen. Doch auch hier ist das Dilemma: Werden alte Schiffe aus Kostengründen abgewrackt, kann das auf Kosten von Mensch und Natur gehen.
Und auch die Forschung sieht die Krise kritisch. Bislang war das Kreuzfahrtschiff die "Cash Cow" auf See. Um den Kreuzfahrtschiffen umweltfreundliche Antriebe zu verkaufen, haben besonders Werften oder Motorenzulieferer in Entwicklung und Forschung investiert. Fehlen die Milliarden aus der Kreuzfahrtbranche, geht es mit der Suche nach umweltfreundlichen Technologien nicht mehr weiter.
Mehr als zehn Jahre lang wuchs die Kreuzfahrtindustrie jährlich um 10 Prozent. Der Stopp trifft die Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdient haben, hart. Nahe Kaiserslautern hat der ehemalige Zweite Offizier Christian Baumann ein Reisebüro für Kreuzfahrten eröffnet, um sesshaft zu werden. Nun kämpft er um seine Existenz.
Nicht nur in Deutschland kämpfen Reiseführer, Busunternehmen, Souvenirläden um ihre Existenz und sehnen sich nach Touristen. Doch was für die einen Hoffnung ist, ist vor allem für die Einwohner wahr gewordene Horrorvorstellung. Noch vor wenigen Monaten haben Touristenschwärme ihre Heimat überflutet. Jetzt, da die Touristen ausbleiben, wollen sie am Liebsten den Ist-Zustand festhalten und lehnen sich gegen den zukünftigen "Overtourism" auf.
Die Cruise Line International Association (CLIA) vertritt 95 Prozent der Kreuzfahrtschiffe und will die Zeit des Stillstands nutzen, um zwischen den Fronten zu vermitteln. Kultur erhalten, Umwelt schützen, Tourismus wiederbeleben.