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Belgien Immer wieder Molenbeek

Der Generalverdacht – er begleitet die Molenbeeker derzeit auf allen ihren Wegen. Dabei wollen sie sich auf ihrem Rathausplatz versammeln, um für ein friedliches Zusammenleben zu demonstrieren.

Von: ARD-Brüssel

Stand: 22.11.2015 | Archiv

Straßenkontrollen | Bild: BR

Das Klischee, gegen das sie kämpfen: Schlecht integriert. Wer hier aufwächst, hat kaum Chancen. Normal also, dass man Verständnis für Dschihadisten hat?

"Nein, das ist nicht normal. Es ist nicht normal, was in Paris passiert, nicht normal, was in Palästina passiert, und auch nicht in Syrien. Nichts ist mehr normal!"

Ein Jugendlicher

"Möchten Sie, dass sich in Molenbeek etwas ändert?"

Journalistenfrage

Das weiß er nicht so recht, aber sein Freund:

"Dass ihr mal zeigt, was wirklich hier passiert, auch gute Dinge. Wir haben den Eindruck, ihr zeichnet ein falsches Bild. Ihr nehmt nur das Negative heraus, alles, was Molenbeek herabsetzt, und nichts, was uns auszeichnet."

Ein anderer Jugendlicher

Allerdings machen die Molenbeeker den Medien das Leben auch nicht gerade leicht. Viele sind hier kamerascheu, werden aggressiv und sehr schnell handgreiflich. Jetzt müssen sie eine regelrechte Invasion der internationalen Medienvertreter zähneknirschend hinnehmen.

Das Rathaus ist belagert. An vorderster Front: Molenbeeks Bürgermeisterin Francoise Schepmans. Sie erklärt die Probleme ihrer Gemeinde seit gut einer Woche unermüdlich der gesamten Welt.

"Im Alltag mag es ja gut funktionieren, aber es gibt eben das Phänomen der gewalttätigen Radikalisierung. Ich glaube, dass es seit einigen Jahren einen fruchtbaren Boden dafür gibt, bereitet durch die Politik vieler Jahre. Und zwar auf allen Ebenen: ob lokal, regional, föderal ist sie sich der Gefahren nicht genügend bewusst gewesen."

Françoise Schepmans, Bürgermeisterin von Molenbeek-St.Jean

Françoise Schepmans

Im Januar 2015 nehmen die Behörden in Verviers eine Terrorzelle hoch. Sie soll einen Angriff auf die Polizei in Brüssel, in Molenbeek geplant haben. Nach einer Schießerei in einem Thalys-Zug nach Paris führt die Spur nach Molenbeek - genau wie im Mai 2014: Im Jüdischen Museum in Brüssel tötet Mehdi Nemmouche vier Menschen. Der Franzose hatte in Molenbeek gelebt.

Abdelhamid Abaaoud, mittlerweile erschossen, gilt als Drahtzieher von Paris: Syrienkämpfer, aufgewachsen jedoch in Molenbeek. Was läuft hier schief?

"Diese jungen Männer lebten am Rand der Gesellschaft. Ja, sie sind auf unseren Schulen gewesen, aber sie sind dann doch irgendwann straffällig geworden, Kleinkriminalität, aber der Weg zwischen dieser Art Kriminalität und der Radikalisierung scheint mir kurz zu sein."

Françoise Schepmans

Ein Kanal liegt zwischen Brüssels prächtigem Touristenzentrum und Molenbeek, dem sozialen Brennpunkt. Viele hier sind arm und schlecht gebildet. In sieben Jahren ist die Bevölkerung um 20 Prozent gewachsen, aber eben nicht um lukrative Steuerzahler. Die Folge: Kaum Geld für soziale Projekte, und auch nicht mehr Polizei.

Wie und ob die Brüder Abdeslam zu Dschihadisten wurden, wissen wir nicht. Nach Salah, vorerst tatverdächtig, wird derzeit gefahndet. Brahim starb als Attentäter in Paris. Die beiden hatten ein Eckcafé geführt. Hier gab es nicht Hörnchen oder Bier, sondern Drogen. Ein Freund der beiden erzählt anonym:

"Vor gut einer Woche ist Brahim zu uns gekommen. Er wollte Kalaschnikows bei uns verstecken. Wir wussten, er ist verrückt. Also haben wir gesagt: 'Das ist doch nicht wahr!?' Und er: 'Nein, ernsthaft: Ich habe genug, um ganz Belgien hochgehen zu lassen.'"

Ein Freund der Brüder Abeslam

Innenminister Jan Jambon

Zur Polizei geht er nicht. Belgiens Innenminister Jan Jambon reagiert auf die Molenbeeker Beteiligung am Attentat wütend und droht:

"Ich werde Molenbeek aufräumen, saubermachen. Was immer da schiefläuft, muss jetzt in Angriff genommen werden. Das können wir nicht länger dulden. Das muss ein für allemal mit Peitsche und Zuckerbrot gelöst werden."

Jan Jambon, belgischer Innenminister

"Ich sage, gut, komm nur! Kommt her, lasst uns zusammenarbeiten und hier ganz konkrete Maßnahmen ergreifen. Das ist wirklich mein inniger Wunsch. Ganz konkret müssen wir jetzt etwas für die Sicherheit hier machen."

Françoise Schepmans

400 Millionen will Belgien jetzt in die Sicherheit stecken. Wieviel davon wird wohl hier in Molenbeek ankommen, jenseits der Glitzermeilen?


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