BR Fernsehen - EUROBLICK


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Dänemark Verzicht auf Pressefreiheit?

Die Jyllands-Posten in Aarhus: Scharf bewacht wie bei uns das Kanzleramt oder der BND. Dabei ist es "nur" die größte Tageszeitung Dänemarks. Eine Zeitung allerdings, die mit der Angst lebt.

Von: Gerhard Losher

Stand: 12.02.2015 | Archiv

Eine Heft mit Mohammedkarikaturen | Bild: BR

Knapp zehn Jahre ist es her, dass diese Karikaturen einen Proteststurm in der islamischen Welt auslösten, der heute, neben Nine-Eleven als Kriegserklärung des Islamismus gegen die westliche Welt verstanden werden muss: Dänische Flaggen wurden angezündet, Botschaften in Brand gesetzt. In Palästina, Pakistan und Afrika kam es zu Ausschreitungen mit mehr als 100 Toten gegen ein Europa, in dem man sich erdreistet, ein Bildnis von Mohammed zu erstellen, - noch dazu als Karikatur.

Sie standen von Anfang an im Fadenkreuz des Protests: Der Karikaturist Kurt Westergaard, der Mohammed mit einer Bombe im Turban darstellte, und Jyllands-Postens verantwortlicher Kulturredakteur Flemming Rose, der die Karikaturen in Auftrag gegeben und journalistisch verantwortet hatte. Beide haben sie diesen Artikel teuer bezahlt.

Kurt Westergaard

Interview bei Kurt Westergaard: wer zu ihm will, wird penibel durchsucht. Seit Jahren lebt er abgeschirmt unter Personenschutz:

"Das mit Charlie Hebdo hat mich massiv schockiert. Auch ich, der ja selbst einen Überfall erlebt habe, frage mich: 'Wie kann das, was jetzt geschehen ist, immer wieder passieren?'"

Kurt Westergaard, Zeichner der Mohammed-Karikatur

Am Neujahrstag 2010 schaffte es ein somalischer Islamist, in Westergaards Haus einzudringen und ihn mit Messer und Axt zu attackieren. Aber Westergaard ist bis heute unerschrocken:

"Ich werde oft gefragt: 'Hast du diese Karikatur bedauert? War sie ein Fehler?' Die Karikaturen waren damals notwendig. Sie waren ein Katalysator für die Debatte über die Meinungsfreiheit, die wir heute führen und die Diskussionen darüber mit gewaltbereiten Extremisten. Meine Zeichnungen zeigen Terroristen, die sich auf den Koran beziehen und ihre Gewalt damit rechtfertigen. Für sie ist der Koran wie Munition, wie Sprengstoff."

Kurt Westergaard, Zeichner der Mohammed-Karikatur

Flemming Rose

In der Öffentlichkeit weniger beachtet, aber nicht minder bedroht lebt Flemming Rose von den Jyllands-Posten; der Streit um die Mohammed-Karikaturen ist sein Lebensthema geworden. Von Journalistenkollegen wurde ihm vorgeworfen, er sei schuld an dieser Debatte, die mehr als hundert Menschenleben gekostet habe.

In der BBC-Talkshow HARDtalk anlässlich des Massakers auf Charlie Hebdo erhebt er schwere Vorwürfe:

"Wenn wir damals mehr Unterstützung von den großen Medien wie zum Beispiel Ihnen erhalten hätten, wenn Sie darauf bestanden hätten, dass so etwas in einer liberalen Demokratie möglich sein muss, auch wenn es nicht gefällt, dann wären wir nicht da gelandet, wo wir heute sind."

Flemming Rose, verantwortlicher Kulturredakteur Jyllands-Posten

Auch Flemming Rose steht rund um die Uhr unter Personenschutz. Nicht nur er, die ganze Redaktion und das Verlagsgebäude waren schon mehrmals das Ziel von Anschlägen:

"Wir leben mit Todesdrohungen, mit vereitelten Terroranschlägen – seit neun Jahren!"

Flemming Rose, verantwortlicher Kulturredakteur Jyllands-Posten in der Sendung BBC HARDtalk

"In Ihrem eigenem Büro?"

Interviewfrage

"Ja, in unserem eigenen Büro."

Flemming Rose, verantwortlicher Kulturredakteur Jyllands-Posten in der Sendung BBC HARDtalk

Aarhus ist die zweitgrößte Stadt Dänemarks: Universitätsstadt, modern, aufgeschlossen, kosmopolitisch – und mit einer starken muslimischen Gemeinde.

Nur wenige Kilometer von den Jyllands-Posten entfernt liegt die Grimhoj–Moschee, Treffpunkt radikaler Moslems. Von hier stammen die meisten der etwa 30 Islamisten, die sich in den vergangenen Monaten von Aarhus nach Syrien und den Irak aufgemacht haben.

In diesem Propagandavideo schießen dänische IS-Kämpfer auf Fotos dänischer Politiker. Für die Jyllands-Posten sind sie eine permanente Bedrohung. Aus diesem Grund verzichtet die Redaktion seit 2008 darauf, je wieder Karikaturen über den Islam zu publizieren.

"Gerade eben hat Charlie Hebdo ihre neue Karikatur herausgebracht: Ihre eigene Zeitung hat dieses Bild nicht veröffentlicht?"

Interviewfrage

"Ja, wir sind eingeknickt. Und wir haben das auch zugegeben. In einem Leitartikel haben wir geschrieben: 'Gewalt hat Erfolg, manchmal ist das Schwert mächtiger als die Zeichenfeder.' Es bräuchte schon einen gewaltigen Rückhalt aus der Gesellschaft, damit dieser schöne Satz wirksam wäre, dass die Feder stärker ist als das Schwert."

Flemming Rose, verantwortlicher Kulturredakteur Jyllands-Posten in der Sendung BBC HARDtalk

In seinem Buch Tyranny of Silence - Tyrannei des Schweigens beschreibt Flemming Rose diesen Kampf um Freiheit, den er nie gesucht hat, der ihn nun aber zum Gegenstand der Verfolgung macht, der er nie mehr entrinnen wird. Er zeichnet ein pessimistisches Bild einer westlichen Demokratie, die Freiheitsrechte Stück für Stück aufgibt und stellt ihm ein Zitat aus Simon & Garfunkel’s Sounds of Silence gegenüber: "Fools, said I, you do not know, silence like a cancer grows - Narren, die ihr nicht verspürt: Schweigen wuchert wie Krebsgeschwür."

Ob der Kampf noch zu gewinnen ist? Flemming Rose wird gefragt, ob er im Wissen der Konsequenzen die Mohammed-Karikaturen noch einmal veröffentlichen würde:

"Wenn ich jetzt sagen würde: 'Ich würde es nicht mehr tun.' Welche Botschaft würde ich damit aussenden? Ich würde denen, die Gewalt ausüben, die Eigentum zerstören, vermitteln: 'Du musst nur einschüchtern, du musst nur genug Gewalt anwenden, und dann handeln wir genau so, wie Du willst.' Ich glaube nicht, dass dies zu weniger Einschüchterung und zu weniger Gewalt führen würde, sondern zu mehr, weil es zeigt, dass es funktioniert. Warum dann aufhören? Würde ich dagegen sagen, dass ich das genau so wieder machen würde, dann hieße es sofort: 'Der ist verrückt oder verantwortungslos.' So oder so: Es ist ein Dilemma."

Flemming Rose, verantwortlicher Kulturredakteur Jyllands-Posten in der Sendung BBC HARDtalk

Das Video zum Beitrag:


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