Belgien Null Toleranz und intensive Sozialarbeit
Mechelen galt früher als schmutzig und die gefährlichste Stadt Flanderns. Mit viel Engagement und harter Integrationsarbeit hat der Bürgermeister ein kleines Wunder geschaffen.
"Sind Sie der Bürgermeister?", will dieser Junge wissen. "Ja, und Du? Willst Du auch mal Bürgermeister werden?" Auch die Kinder kennen ihn: Bart Somers. Seit 18 Jahren ist er Bürgermeister der belgischen Stadt Mechelen mit ihren 87.000 Einwohnern, sein Mechelen, das in seiner Kindheit noch ganz anders war.
"Das ist meine alte Grundschule. Und als ich hier war, fast 45 Jahre ist das jetzt her, war das noch eine sehr monokulturelle Schule: da gab es ein paar Migrantenkinder, aber die meisten Kinder waren weiße Kinder. Jetzt hat eines von zwei Neugeborenen in Mechelen einen Migrationshintergrund. 20 Prozent der Mecheler sind Muslime. Und wir haben 135 verschiedene Nationalitäten."
Bart Somers
Eigentlich ein perfekter Zündstoff für das Zusammenleben – wie in vielen Städten Belgiens. Aber in Mechelen ist einiges anders:
"Aus Belgien sind sehr viele Menschen zum IS nach Syrien gegangen, im Verhältnis gesehen die meisten in Europa. 25 Kilometer nördlich von uns liegt Antwerpen: da waren es 100; 25 Kilometer südlich: Brüssel mit 200 Syrienkämpfern; nur 10 Kilometer von hier Vilvoorde, da waren es 27. Und aus Mechelen, wo auch viele Leute wohnen, die da vielleicht für anfällig sein könnten, ist niemand nach Syrien gegangen."
Bart Somers
Was ist das Geheimrezept von Mechelen? Eine Zutat ist intensive Jugendarbeit. Die Sozialarbeiter kennen in ihren Vierteln quasi jeden. Und sie unternehmen alles, um die Kinder zu verantwortungsvollen Bürgern zu erziehen:
"Heute organisieren wir hier eine Art Wettkampf. Die verschiedenen Stadtviertel spielen gegeneinander. Da geht es um den Sport an sich, aber auch darum, pünktlich zu sein, Verabredungen zu respektieren, Regeln zu beachten."
Younes El Yousfi
"Wenn sich junge Menschen als Bürger einer Gesellschaft fühlen, sich durch die Gesellschaft anerkannt fühlen, auch als Bürger gesehen werden, dann wird die Schwelle sehr hoch, etwas gegen die Gesellschaft zu tun, sie anzugreifen, aggressiv gegen andere zu werden."
Bart Somers
Die andere Säule des Mecheler Konzepts: eine strenge Sicherheitspolitik. Obwohl ein Liberaler, gehören für Bart Somers dazu viele Überwachungskameras, mehr Polizisten und sogenannte Overlast-Teams. Die kümmern sich um Belästigung im öffentlichen Raum und besonders um Jugendliche. Micha Smulders gehört zu so einem Team:
"Wir sind dazu da, engen Kontakt zu Jugendlichen und den Bürgern aufzubauen. Dadurch können wir vor allem präventiv arbeiten. Und die Menschen davon abhalten, sich ordnungswidrig zu verhalten."
Micha Smulders, Polizei Mechelen
Wie das geht? Zum Beispiel so: Wenn in einer Schule was passiert, dann kommt nicht irgendein Polizist, sondern immer das gleiche Team. Hier wird ein Schüler angehört: ein anderer Junge habe ihn mit der Gabel angegriffen und ihm sein Handy abgenommen. Der mutmaßliche Täter muss noch abends vor den Jugendrichter. Null Toleranz gehört auch zur Strategie.
Und die Stimmung in Mechelen hat sich dramatisch gewandelt:
"Im Jahr 2000 fühlten sich die Menschen nirgends so unsicher in Flandern wie in Mechelen. Die Kriminalitätsrate war sehr hoch. Und das sorgte auch für viel Misstrauen gegenüber den Mitbürgern, oft den ausländischen Mitbürgern gegenüber. Und die Leute waren enttäuscht von der Stadtverwaltung."
Bart Somers
Und als die dreckigste Stadt Belgiens galt Mechelen damals auch. Mit Bart Somers hat sich all das zum positiven geändert, sagen die Mecheler auf dem Wochenmarkt. Luc Marien, von allen nur Luc Vis also Luc Fisch genannt, fasst das Stimmungsbild so zusammen:
"Unser Bürgermeister lebt für Mechelen, ich lebe für Mechelen. Mechelen kommt immer an erster Stelle. Bart Somers kümmert sich um jeden, er denkt langfristig, er denkt an die Zukunft. Er hat aus dem Dreckloch Mechelen ein Paradies gemacht."
Luc Marien
Auch der rechtsextreme Vlaams Belang wurde zurückgedrängt. Von über 30 Prozent sind sie auf knapp sieben Prozent runter. Da hilft es auch nicht, das Büro am schönen Mecheler Marktplatz zu haben. Die Geschlagenen versuchen es trotzdem einmal mit Kritik:
"Ja, er hat eine schöne Stadt geschaffen. Aber wir haben viele schöne Städte in Flandern. Und Bart Somers hat vor allem die Muslime hier gepampert, die immer mehr werden. Und am Ende werden sie diese schöne Stadt wohl übernehmen."
Frank Creyelman, Vlaams Belang
Es sitzt aber Bart Somers am Ruder. Und er setzt ganz klar auf Integration:
"Jeder, der an das westliche Gesellschaftsmodell glaubt, muss als erstes gegen Rassismus und Diskriminierung kämpfen, weil das den Kern unserer Gesellschaft kaputt macht. Was macht denn uns als Gesellschaft so stark? Dass jeder, egal wo er herkommt, wenn er nur hart arbeitet, eine bessere Zukunft erreichen kann, und seine Kinder auch."
Bart Somers
In Mechelen scheint man dieser besseren Zukunft schon ziemlich nahe gekommen zu sein.