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Europa Knackpunkt Migrationspolitik

Ventimiglia - der Grenzübergang von Italien nach Frankreich, eine innereuropäische Grenze im Schengen-Raum. Doch statt Freizügigkeit Kontrollen durch französische Grenzbeamte.

Von: Michael Schramm

Stand: 01.07.2018 | Archiv

Migranten | Bild: BR

Vor drei Jahren endete hier die Zeit einer grünen, kaum bemerkbaren Grenze. 2015 wurde in Frankreich als Folge von Terroranschlägen der Ausnahmezustand ausgerufen. Auch wenn dieser inzwischen beendet ist, die Grenzen des Landes bleiben trennende Barrieren.

Besonders betroffen Flüchtlinge: wer von ihnen bereits in einem europäischen Land registriert ist, hier zumeist in Italien, oder sich nicht ausweisen kann, darf nicht nach Frankreich. So wird Ventimiglia für Hunderte von ihnen zur unfreiwilligen Endstation. Weil sie fürchten müssen, dass sie in italienischen Flüchtlingslagern registriert werden, ziehen sie es oft vor, sich auf eigene Faust durchzuschlagen oder aber doch die Flucht gen Frankreich zu wagen.

"Ich habe es oft versucht, zu Fuß, mit dem Zug. Immer wieder haben sie mich erwischt und zurückgeschickt."

Ein Flüchtling

Chiara Romagno

In der 25.000-Seelen-Grenzstadt gibt es so gut wie keine Jobs. Fluchten nach Frankreich, wie hier über die hohen und schroffen Berge, sind gefährlich. Zudem hat Frankreichs Polizei auch im Hinterland personell aufgerüstet und macht Jagd auf illegale Flüchtlinge.

"Wir befinden uns hier auf dem sogenannten Todespass. Das ist der Weg, den viele Migranten benutzen, um nach Frankreich zu kommen. Dieser wird, je weiter man ihn geht, immer gefährlicher, vor allem wenn man nachts auf ihm läuft."

Chiara Romagno, Oxfam Ventimiglia

Enrico Ioculano

Rund 10.000 Migranten sollen allein in diesem Jahr nach Italien zurückgeschickt worden sein. Die italienische Polizei ist in Ventimiglia deshalb allgegenwärtig. Am Bahnhof zum Beispiel werden Flüchtlinge daran gehindert, in grenzüberschreitende Züge zu steigen. Ventimiglia ist zu einer Stadt der Flüchtlinge geworden:

"Entweder wir finden grenzüberschreitende Lösungen oder das schwächste Glied der Kette bricht. In diesem Fall sind wir das hier."

Enrico Ioculano, Bürgermeister Ventimiglia

Polizeikontrolle in Ventimiglia

Frankreichs Politik der für viele Flüchtlinge geschlossenen Grenzen ist in Ventimiglia nicht ohne Folgen geblieben. Bei der letzten Parlamentswahl im März wählte in der Grenzstadt mehr als jeder zweite eine Rechtspartei.

Wir fahren noch einmal zu jener innereuropäischen Grenze, die für mehr als 10.000 Flüchtlinge fast unüberwindbar geworden ist, diesmal jedoch andersherum: von Frankreich nach Italien. Und siehe da: es gibt sie auch hier, die Freizügigkeit in der EU - allerdings nur als Einbahnstraße.


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