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Frankreich Notruf bei der Polizei

Rund 65 Polizisten haben sich in Frankreich im letzten Jahr das Leben genommen. Die Serie islamistischer Terroranschläge, die das Land seit 2015 erlebt hat, hat den Druck auf die Polizisten enorm erhöht.

Von: Susanna Dörhage

Stand: 23.09.2018 | Archiv

Eine abgesperrte Stelle | Bild: BR

Es ist ein Wahrzeichen Frankreichs, das Schloss von Versailles, und deshalb herrscht akute Terrorgefahr. Der Polizist Maxime Reneuve weiß, dass Touristen vor allem hier auf der Straße, vor den strikten Sicherheitskontrollen, besonders gefährdet sind. Deshalb sind er und seine Kollegen ständig auf der Hut. Bei vergangenen Anschlägen hatten Terroristen im Vorfeld ihr Anschlagsziel erkundet.

"Wir schauen, wer sich seltsam benimmt und ein Risiko darstellen könnte, zum Beispiel Leute, die herumsitzen und einfach nur Notizen und Fotos machen, oder Leute, die aus dem Auto heraus fotografieren und weiterfahren. Die kontrollieren wir dann sofort."

Maxime Reneuve, Polizist

Frankreichs Polizisten – in ständiger Alarmbereitschaft, seit islamistische Terroristen das Land mit einer Serie brutalster Anschläge überzogen haben: mehr als 240 Tote in knapp vier Jahren.

Maxime Reneuve

Das sollen sie nun verhindern, jederzeit und überall. 22 Millionen Überstunden haben Frankreichs Polizisten in den letzten Jahren angesammelt.

"Wir stehen hier in erster Linie, um Frankreichs Symbole zu schützen; das tagtäglich zu leben, ist ziemlich schwierig. Man muss schauen, wie man damit klarkommt. Wenn wirklich ein Anschlag stattfindet, dann dürfen wir nicht an unser eigenes Leben denken. Wir müssen uns um die Sicherheit der anderen kümmern."

Maxime Reneuve, Polizist

Denis Jacob

Im Falle eines Anschlags sollen Maxime und seine Kollegen nun nicht mehr auf Elite-Truppen warten, denn die kamen in der Vergangenheit häufig zu spät. Er soll direkt selbst eingreifen, um ein eventuelles Massaker zu stoppen. Schulungen sollen die Polizisten darauf vorbereiten, kugelsichere Westen und stärkere Waffen. Aber viele fühlen sich überfordert, haben Angst, denn in den letzten Jahren sind immer mehr Polizisten selbst zur Zielscheibe von Terroristen geworden: Am 13. Juni 2016 ermordete ein islamistischer Terrorist in der Pariser Vorstadt ein Polizisten-Ehepaar – vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Das war ein Schock.

"Ich will nicht sagen, dass es eine richtige Psychose gibt unter den Polizisten. Aber wir Polizisten wissen, dass es Menschen gibt, die nicht zögern uns und unsere Familien ausfindig zu machen und uns zu verfolgen."

Denis Jacob, Polizeigewerkschaft 'Alternative Police'

Francois Grosdidier

Mangel an Freizeit, Anfeindungen, Terror-Angst – viele halten dem Druck nicht stand. Mehr als 60 Beamte haben sich im letzten Jahr das Leben genommen; häufig geschahen die Selbstmorde in den Kommissariaten.
Ein Senator aus Lothringen hat die Vorfälle untersucht und schlägt Alarm. Viele Polizisten fühlten sich vom Staat im Stich gelassen:

"Wir müssen den gesamten Sicherheitsapparat neu aufstellen. Das Management muss verbessert und es muss mehr investiert werden. Auch die Polizeiwachen müssen renoviert werden; die Polizisten brauchen außerdem bessere Autos. Es geht ja schließlich um ihre Sicherheit. Jede andere Verwaltung würde das auch verlangen."

Francois Grosdidier, Senator, Konservative Partei Frankreich

Der Streifenpolizist Reneuve glaubt nicht, dass die Probleme damit gelöst sind. Die Bedrohung bleibt – unsichtbar, aber sie ist da. Bis Ende 2019 werden mehr als 40 gefährliche Dschihadisten aus dem Gefängnis entlassen. Ihre Strafen sind abgelaufen. Der Kampf gegen den Terror ist nun Teil seines Lebens geworden. Ausgesucht hat er sich das nicht.

"Eigentlich wird man ja Polizist, weil man früher mal gern Räuber und Gendarm gespielt hat und gern Action mag. Aber heute gehe ich oft nach Hause und bin froh, dass nichts passiert ist."

Maxime Reneuve, Polizist

Auch wenn sein Beruf durch den Terror eine ganz andere Dimension bekommen hat – Reneuve will nicht aufgeben und dem Druck standhalten.


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