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Großbritannien Bauern gegen den Brexit

Nur noch acht Monate bis zum EU-Austritt, und kein Plan: Fast 80 Prozent der Briten sind der Meinung, dass die Regierung schlecht verhandelt. Und jeder Zweite würde gern erneut abstimmen. Das wollen auch viele Bauern in Kent.

Von: Georg Matthes und Lars Scholtyssyk

Stand: 09.09.2018 | Archiv

Frauen bei der Ernte | Bild: BR

Salat soweit das Auge reicht. Eine Millionen Salatköpfe werden hier, in Kent im Südosten Englands, jede Woche geerntet. Gepflückt per Hand – von osteuropäischen Saisonarbeitern.

"Ich glaube, niemand hier hatte eine Ahnung davon, wie sehr wir von diesen Arbeitskräften abhängig sind."

Stephen Betts, Landwirt

Stephen Betts

Stephen Betts ist in der vierten Generation Salatbauer. Rund 130 Saisonarbeiter beschäftigt er auf seiner Farm. Die meisten kommen aus Rumänien; als EU-Bürger können sie hier ohne Visum arbeiten. Mit dem Brexit ist diese Freiheit in Gefahr – und damit auch Stephens gesamtes Geschäftsmodell.

"Ohne ihre Hilfe wird es hier keine Lebensmittelproduktion geben, Punkt. Wir brauchen die Arbeiter, ganz ohne Frage. Oder wir müssen alle Lebensmittel importieren. Das ist die Wahl vor der wir jetzt stehen."

Stephen Betts, Landwirt

Tudorita Stefan

Tudorita Stefan kommt aus Rumänien und arbeitet seit elf Jahren auf der Farm. Dass es beim Brexit zum großen Teil ums Thema Migration geht, hat sie schockiert. Dennoch glaubt sie nicht, dass der Austritt Großbritanniens sie zwangsläufig ihren Job kosten wird:

"Die brauchen uns doch, das ist nämlich eine sehr harte Arbeit. Ich habe hier mal ein paar Engländer gesehen, aber es war zu anstrengend für sie. Also, sie brauchen uns."

Tudorita Stefan, Erntehelferin

Doch schon jetzt spüren britische Landwirte die Brexit-Konsequenzen: In diesem Jahr kamen 20 Prozent weniger Saisonarbeiter nach Großbritannien.

Kevin Attwood

Rund eine Stunde weiter östlich liegt die Farm von Kevin Attwood. Seit 80 Jahren baut seine Familie hier verschiedene Getreidesorten an. Dafür benötigt er große Maschinen – und das bedeutet: große Investitionen. Doch die will Kevin nicht mehr tätigen. Durch den Brexit verliert sein Betrieb existentielle EU-Subventionen – und damit auch seine Perspektive:

"Ich denke, wir könnten hier relativ schnell einen großen Teil der Farmen verlieren. Familienbetriebe würden einfach verschwinden. Du kannst da nicht fünf oder zehn Jahre mit Entscheidungen warten – da hat die Politik ein falsches Bild. Dann ist es nämlich zu spät. Wenn die Bauern das Land erst einmal verlassen, dann kommen sie nicht wieder zurück."

Kevin Attwood, Landwirt

James Forknall

Doch nicht alle Bauern in der Region Kent denken so wie er. Sein Kollege James Forknall stimmte für den Brexit. Er hofft, größere Betriebe wie der seine könnten von der Unabhängigkeit profitieren:

"Wir würden endlich wieder eigenständig sein und Europa hinter uns lassen. Das ist, denke ich, besser für unser Land. Wir bewegen uns doch eh in einem Weltmarkt. Wohin auch immer unser Getreide geht, wir müssen uns am Weltmarkt orientieren. Wird das jetzt so ein großer Unterschied für uns sein? Ich glaube nicht."

James Forknall, Landwirt

Einen großen Unterschied macht der Brexit für viele andere Landwirte schon jetzt: Bis vor kurzem hatte Salatbauer Stephen Betts stets eine volle Warteliste; heute bangt er um jede Arbeitskraft. Und noch weiß er nicht, ob er nächstes Jahr überhaupt noch Saisonarbeiter findet, die auf diesen Feldern Salat ernten.


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