Italien Die geologischen Wunder der Insel Elba
Schöne Inseln gibt es viele. Und wir mögen diese Inseln, wegen der Sonne, dem Sand und dem blauen Meer. Aber es gibt auch noch Inseln, die mehr sind als eine Urlaubskulisse.
Elba – die Perle der Toskana. Ort der Sehnsüchte und Träume und Heimat einzigartiger Mineralien und Rohstoffe. Schon lange vor dem Tourismus prägten "Steine" das Schicksal der Insel, bestimmten das Schicksal der Menschen, die hier lebten.
Porto Ferraio – der Eisenhafen – ist die Hauptstadt Elbas. Als die alten Römer 246 vor Christus die Insel von den Etruskern eroberten gaben sie ihr den Namen Ilva – Eisen. Auch wenn die Prachtbauten heute von Wind und Wasser fast zerstört sind, der Archäologe Alessandro Pastorelli hat sogar Hinweise auf die damaligen Bewohner gefunden:
"Es waren die persönlichen Vertrauten der Kaiser, die in diesen Villen lebten und den Abbau der Erze und Mineralien oder den Handel überwachten. Das zeigt, wie wichtig die Insel war. Wir haben einen Hinweis auf einen Prätorianergeneral, der hier gewohnt hat – ein Anführer aus der persönlichen Leibwache des Kaisers."
Alessandro Pastorelli
Gier nach dem, was im Boden ist
Nach den Römern kamen neue Herren, aber mit denselben Interessen. Von Adeligen aus Pisa bis zu Medici aus Florenz: Sie alle befestigten und beherrschten die Insel. Sie alle gierten nach den unterirdischen Schätzen, besonders dem Eisen, das schon in prähistorischer Zeit hier abgebaut wurde.
Immer tiefer ging es hinab, bis 1991. Dann wurden die Eisenminen stillgelegt. Zu groß war die Konkurrenz billig produzierender Drittweltländer. Tausende wurden arbeitslos bis auf Massimo Garbati. Jeden Tag geht er hinunter in fast 60 Meter unter dem Meeresspiegel. Seine Aufgabe ist es, die Technik funktionsfähig zu halten. Es war Berlusconi, der entschieden hatte: die Mine bleibt "Stand by". Falls notwendig, sollte man wieder fördern.
"Manchmal habe ich Angst! Die Mine ist sicher, gut! Aber die Geräusche hier unten, dieser Wind, der sich mal warm und mal kalt anfühlt... Deswegen erzählt man von Geistern toter Arbeiter. Wir sind so tief unter dem Meeresspiegel. Da spürt man alles anders, vor allem alleine."
Massimo Garbati
Die Schätze unter der Erde, die ständige Ausbeutung durch fremde Herren haben die Elbaner zu einem ganz eigenen Menschenschlag gemacht. Bis heute sprechen manche Dörfer einen eigenen unverwechselbaren Dialekt. Wenn Armut und Hunger die Bewohner zum Auswandern zwang, sind sie in Gruppen gegangen. Und so gibt es in Australien ganze Orte, die genau diese elbanischen Dialekte von Sant‘Ilario, San Piero oder Capolivieri sprechen – Jahrzehnte und Jahrhunderte später.
Granit aus Elba
Neben Eisen, Halbedelsteinen und seltenen Erden und gibt es auf Elba noch etwas, ohne das Italien nicht das Italien wäre, das wir heute kennen: Stein. Mit elbanischem Granit wurden Monumente für die Ewigkeit gebaut – das Pantheon, der Petersplatz...
Die Benefortis betreiben den Steinbruch in der fünften Generation. Doch jetzt steht für Gianni das Aus bevor – so wie den Eisenminen.
"Es wird eng. Italien befindet sich seit Jahren in einer Wirtschaftskrise. Die Leute haben kein Geld und kaufen fertige Granitprodukte aus dem Ausland. Früher haben wir anspruchsvolle Auftragsarbeit auf Bestellung gemacht. Heute machen wir 08/15-Ware, die wir in Kommission in die Baumärkte geben. Das ist kein Handwerk mehr, sondern Fließband. Die Regierung tut nichts. Es wird immer schwieriger den Laden am Laufen zu halten."
Gianni Beneforti
Der berühmteste Herrscher Elbas war Napoleon: Nach dem gescheiterten Versuch, Europa und Russland zu erobern, wurde er hierher in die Verbannung geschickt. Während des knappen Jahres bis zu seiner Flucht brachte er die Moderne auch hierher auf die Insel: Ein neues Theater gab es gleich dazu, denn Bildung, so dachte Napoleon, der immerhin ganz Europa gehörig durcheinandergewirbelt hatte, könnte seinen sturen Untertanen nicht schaden. Und auch wenn sie damals etwas unwillig reagierten, heute sind die Elbaner stolz auf "Il Teatro" – und zeigen es auch gerne her.
Napoleon würde sich im Grabe umdrehen, aber das moderne Elba hat sich ganz anders aufgestellt, als er es wollte. Alles dreht sich nur um "la dolce vita". Doch viele Elbaner lässt das kalt. Für sie bleibt die Insel, was sie immer war: Einzigartig, vor allem abseits der Strände.
Die Spur der Menschen
Michelangelo Venturini ist Maler, Die Steine werden zu seinen Farben. Hier spürt er einen tiefen Zusammenhang mit der Vergangenheit der Insel.
"Auf einer Mine als Künstler zu leben, heißt auch: Man spürt die Menschen, die hier Jahrhunderte lang gelebt und gelitten haben und die auch hier für die Erze und Steine gestorben sind. Und wenn ich hier grabe, klopfe und sammle, dann ist das was etwas völlig anderes, als wenn ich in einem Geschäft – und sei es noch so schön – meine Pulver für meine Farben kaufe."
Michelangelo Venturini
Beinahe jede Halbinsel hat ihr eigenes Vorkommen an Mineralien, und ein paar Meter weiter schon wieder völlig anders. Elba gleicht einem geologischen Mosaik.
"Heute ist kein guter Tag. Ich dachte, es wäre schon besser, aber es hat die ganze letzte Woche geregnet. Durch das Wasser vermischen sich die Schichten. Erst wenn es trocken ist, wird das Gelb wieder rein. Damit muss man hier immer rechnen."
Michelangelo Venturini
In einer kleinen Gasse Capolivieris liegt das Atelier von Michelangelo. Hierher bringt er seine Schätze, seine Farben, die jedes Mal anders aussehen können.
"Elba ist mein ein und alles. Es ist die schönste Insel, die ich je gesehen habe und ich habe viele Inseln gesehen. Es kann sein, dass sie nicht die Schönste ist – vielleicht liegt es daran, dass ich in Elba verliebt bin."
Michelangelo Venturini
Doch wer verliebt sich nicht bei dieser Schönheit, diesen Schätzen und dieser Geschichte. Es heißt ja nicht umsonst: Elba sei die schönste Perle, an der Kette der Venus gewesen. Und als die Göttin dem Meer entstieg, zerriss die Kette und die Perlen verwandelten sich in Inseln...